Villa 

Möhlstraße 12a

 

Baumeister Hans Seidl errichtete in der Möhlstraße drei Villen auf Grundstücken der Wirtsleute Anna und Lorenz Betz. Die Besitzer der Betz'schen Gastwirtschaft (Ismaninger Straße 105) gaben auch den Bau von Haus Nr. 14 und Haus Nr. 16 bei diesem Architekten in Auftrag. Die 1900 bis 1901 im neubarocken Stil errichtete Villa in der Möhlstraße 12a wurde umgehend von den Wirtsleuten weiterverkauft und unterlag von da an wie auch die anderen beiden Villen einem starken Besitz- und Funktionswandel, ehe sie von privatem in öffentliches Eigentum überging.

 

 

 

 

 

 

 

1941 (wahrscheinlich durch Enteignung von Erna Dostler) wurde die Villa vom Deutschen Reich erworben, um es dem »Reichsführer SS« und »Chef der Deutschen Polizei«, Heinrich Himmler, als Dienstwohnung zur Verfügung zu stellen. Nach dem Selbstmord Himmlers 1945 und der Flucht seiner Ehefrau Margarete mit Tochter Gudrun stand die Villa in der Möhlstraße leer und wurde von der US-Armee beschlagnahmt. 1950 übereignete es man dem Land Bayern. Neuer Benutzer des Geländes wurde das "Zentralkomitee der befreiten Juden in Bayern" (ZK) mit seinen Abteilungen »American Joint Distribution Committee« (in der Möhlstraße 23) und »Jewish Agency for Palestine«. In München arbeiteten nach dem Krieg die Zentralen der großen jüdischen Verbände, die in Deutschland für die sozialen Bedürfnisse und für die Vorbereitungen zur Auswanderung der überlebenden KZ-Opfer verantwortlich waren. Zwischen 1945 und 1951 war München Durchgangsstation für rund 120.000 Juden, von denen die meisten nach Palästina (ab 1948: Israel) auswanderten. Diese seelisch und materiell völlig entwurzelten Menschen warteten als "Displaced Persons" (DPs) in Kasernen (vgl. Lohengrinkaserne, Englschalking), städtischen Unterkünften und beschlagnahmten Siedlungen auf ihre Auswanderung. In der Möhlstraße 12a waren der an der Montessori-Pädagogik orientierte jüdische Kindergarten und die »Jeshiva«-Volksschule (vormals Neuberghauser Straße 11) untergebracht. Desweiteren das Kultur- und Erziehungsamt des ZK mit Lesesälen für Zeitungen, Zeitschriften und Büchern, Bibliotheken und einer Verlagsabteilung. Die besondere Leistung des Kulturamts war die Produktion eines eigenen jiddischen Schrifttums, da ja Sprache und Kultur des osteuropäischen Judentums in Europa nahezu ausgelöscht worden war. Das Kulturamt richtete unetr anderem Lesesäle und Bibliotheken in den DP-Außenlagern ein und gründete eine eigene Verlagsabteilung.

 

Seit 1950 gehört das fast original erhaltene Anwesen dem Freistaat Bayern und wird heute vermietet und gewerblich genutzt. Auf dem unmittelbaren Nachbargrundstück Möhlstraße 12 steht heute an Stelle einer Villa ein mehrstöckiger Neubau der Architekten Georg Hellmuth + Claus Winkler aus dem Jahr 1968.

 

 

 

 

 

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Textquellen: 

Karl, Scola: "Die Möhlstraße", 1998

Weyerer: "München 1933 - 1949", 2006

 

Abbildungen:

oben:Villa Möhlstraße 12a auf einer historischen Ansichtskarte aus dem Jahr 1916 © privat

alle anderen: © dietlind pedarnig, 2007/2008