Kerschensteiner-Villa vor 1900

 

 

Im Oktober 1896, als Leonhard Romeis die ersten Pläne für seine Bauherrn Kerschensteiner und Plaß bei der Lokalbaukommission München einreichte, standen erst wenige Gebäude in der Möhlstraße, so etwa die benachbarte Doppelvilla Möhl (Hausnummer 37) / Seitz (Hausnummer 35) aus dem Jahr 1894. Außer der westlich an das Grundstück der Doppelvilla anschließenden »Relictenanstalt« Neuberghausen, einem Heim für alleinstehende, unversorgte Beamtentöchter, von deren Gelände die Bauparzellen der Möhlstraße abgetrennt worden waren, sowie der Bogenhauser Kirche St. Georg und einigen Bauernhöfen, war das Gelände zwischen Möhl- und Maria-Theresia-Straße noch weitgehend unbebaut und somit feinste, ruhige Lage »im Grünen.«

 

 

 

 

Ursprünglich waren die beiden gleichwertig-symmetrischen, aber gestalterisch im Detail völlig verschieden angelegten Gebäudehälften mit einem Türdurchbruch verbunden (heute zugemauert) und auch der Garten wurde von beiden Familien gemeinsam benutzt. Die Nahtstelle der beiden Häuser wird durch einen über das traufseitige Dach hinaufragenden Risalit kaschiert, der als zinnenbekrönter Treppengiebel die weniger noblen Räume für die Mägde bzw. die Badezimmer beherbergte. Die Hauskanten der Doppelvilla werden durch einen polygonalen Eckkerker (Kerschensteiner-Villa) beziehungsweise durch ein rechteckiges, auf die Traufleiste aufgesetztes Türmchen (Plaß-Villa) betont. Was die Gartenseite der Villa betrifft, wurde diese mehrfach umgestaltet und die Villa schließlich 1975 durch einen Verbindungsgang an einen kleinen Neubau angebunden. 

 

 

Südlicher Seitenanbau der Kerschensteiner-Villa mit Blick auf Schulneubau 

 

 

Den Aufgabenstellungen seiner Bauherrn entsprechend, hat Romeis für den Maler Plaß einen hellen Atelierraum geschaffen, für Kerschensteiner plante er dagegen ein großes, auf die Möhlstraße ausgerichtetes Studierzimmer, der Salon lag zur Gartenseite. Auf ein eigenes Zimmer für die Ehefrau (wie in der Plaß-Villa das »Zimmer der Dame«) musste verzichtet werden, da man die drei Kinder der Familie des Stadtschulrates unterbringen musste. Gekocht wurde im Keller, wie in vielen bürgerlichen Häusern der Zeit üblich. Für uns heute recht klein viel auch die sogenannte "Magdkammer" aus, die direkt neben Kerschensteiners Studierzimmer lag und nur circa 2 x 5 Meter Größe, bestückt mit einem kleinen Fenster, aufwies. Für damalige Verhältnisse war dies jedoch normal und als Dienstbotenzimmer durchaus üblich - fensterlose Wohnräume für die Mägden waren gar erst 1879 verboten worden.

 

 

Die beiden Eingangstüren im Mittelrisalit

 

 

 

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Textquellen:

Abbildungen von oben nach unten: