Atelierwohnhaus
Possartstraße 37
1913 stellte die Bildhauerin Jenny von Bary-Doussin zum ersten Mal ihre Werke in ihrem Schwabinger Atelier in der Hohenzollernstraße aus. Die Resonanz war überwältigend und der enorme Publikumserfolg bewog die Künstlerin, sich ein eigenes Atelier errichten zu lassen. Noch im gleichen Jahr erwarb sie für 31 108 Mark ein 670 Quadratmeter großes Grundstück im noch ländlichen Bogenhausen, gegenüber der Königlichen Sternwarte mit ihrem grünen Areal. Die Pläne für den Neubau gab sie bei Architekt Paul Böhmer in Auftrag, der zwei Jahre zuvor schon die Stury-Villa in unmittelbarer Nähe, Possartstraße 18, errichtet hatte – abgesehen von 300 weiteren Villen in München (davon 13 in Bogenhausen und im Herzogpark), allesamt im sogenannten süddeutschen Heimatstil ausgeführt.
Plan Atelierhaus Bary-Doussin
um 1914
Schwere Zeiten dräuten aber im Kriegsjahr 1914 herauf: Das Münchner Königliche Hoftheater kürzte Gage und Spielgeld von Jennys Mann, dem berühmten Kammersänger und Nervenarzt Prof. Dr. Alfred von Bary, seine Gastspielreisen fielen komplett aus. Das Ehepaar konnte seinen bisherigen Lebensstil nicht aufrechterhalten und man zog daher in das soeben fertig gestellte Atelierhäuschen in der Possartstraße 37 und gab die teure Atelierwohnung in Schwabing auf. Dieses an die Ecklage am Galileiplatz angepasste Domizil beherbergte ein über zwei Stockwerke vom Erdgeschoss bis in die Mansarde gehendes, schräg gestelltes Atelier mit großzügigen 63 Quadratmetern. Ein ebenerdiges Tor ermöglichte die Anlieferung des Marmors und den Abtransport der Skulpturen. Daneben gab es in jedem Stockwerk ein bescheidenes kleines Zimmer und eine Waschgelegenheit. Hier im Grünen, wo die Schafe der Bauern weideten, so hoffte Bary, würden sich seine Hals-, Lungen- und Nervenleiden bessern.
Schon ein Jahr später, 1915, zog das Ehepaar dann ein Haus weiter, in die hochherrschaftliche Villa »Haus im Sternenwinkel« an der Possartstraße 35, die die wohlhabende Gönnerin von Alfred von Bary, Erna Wessels, errichten hatte lassen, damit man hier gemeinsam wohnen konnte.
1932 erwarb Generalmusikdirektor Franz Mikorey (1873–1947) die Villa an der Possartstraße 37. Sein Sohn, der Bildhauer Franz Mikorey (1907–1986), nutzte dort nach dem Zweiten Weltkrieg das Atelier, seine Wohnung hatte er allerdings in Solln.
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Literatur:
Gribl, Dorle: Prominenz in Bogenhausen. Villen und ihre berühmten Bewohner, München 2009, S. 24ff.
Abbildungen von oben nach unten:
Das ehemalige Atelierwohnhaus Possartstraße 37 im Jahr 2014; an der Nordseite (Sternwartstraße) ist das noch heute das große Atelierfenster zu sehen.
Plan Atelierwohnhaus Bary-Doussin, 14. März 1914, mit allen vier Seitenansichten.
Atelierwohnhaus Possartstraße 37 (rechts) und die Villa Possartstraße 35, um 1914. Fotografie von Georg Pettendorfer © Stadtarchiv München, Sign. DE-1992-FS-NL-PETT1-2818
Alfred von Bary, Skulptur von Jenny von Bary-Doussin, mit der er in zweiter Ehe verheiratet war.