Die römische Villa Rustica von Aschheim

M.A. Hans-Peter Volpert, Archäologe, NordOstMagazin Januar 2006

 

Anlässlich der Bundesgartenschau 2005 entschloss sich die Gemeinde Aschheim, für die Präsentation römischer Gebäudereste, die erst 2001 nach akuter Pfluggefährdung zu Tage getreten waren. Die unter einem Schutzzelt gezeigten Fundamentreste waren Bestandteil eines kleinen römischen Bauernhofs wie sie vielerorts, auch in der Münchner Schotterebene bekannt sind (Abb.1).

 

 

Aschheimer villa rustica wird Archäotop

Zur Versorgung der Truppen entlang der Grenze war für die römische Armee ab dem ersten Jahrhundert n. Chr. eine gut entwickelte landwirtschaftliche Infrastruktur nötig. Zu einem dieser Betriebe (den sogenannten Villae Rusticae) zählen auch die in Aschheim freigelegten Befunde. Es sind Teile des Hauptgebäudes, Nebengebäude für Gesinde, Scheunen für Gerät oder Speicherbauten für Getreide und sonstige Lebensmittel. Nachgewiesen wurden bislang ein Backofen, mehrere Brunnen, sowie vier typische Darröfen für Getreide, das wenn es noch nicht völlig ausgereift war, hier nachgetrocknet werden konnte. Zugleich eigneten sich diese kleinen Darren auch zum räuchern von Fleisch und dörren von Obst, was in einer Zeit ohne Kühlanlagen neben dem Pökeln die einzige Möglichkeit einer längerfristigen Konservierung von Lebensmitteln darstellte. Zaunanlagen ähnlich einer Palisade, die sich im Plan als lange dünne Linien zu erkennen geben, umschlossen die Anlage und schützten das Kleinvieh vor Fuchs und Wolf.

 

Die Aschheimer villa rustica, ist nur in den Teilen durch archäologische Untersuchungen bekannt, in denen eine akute Gefährdung durch Überbauung oder Pflug bestand. Die verbliebenen Restflächen wurden von der Gemeinde Aschheim erworben und sind heute ein sogenanntes Archäotop, also ein vor weiteren Baumaßnahmen geschützter Bereich. (Abb. 2)

 

Dichte römische Besiedlung im Münchner Osten

Durch Analogien zu benachbarten Befunde wie sie beispielsweise aus München-Denning, München-Trudering, München-Perlach, Kirchheim-Heimstetten oder Poing vorliegen, lassen sich sowohl Gemeinsamkeiten als auch Unterschiede beobachten, die das einst komplexe Bild der ländlichen römischen Besiedlung des Münchner Ostens präzisieren. Durch den zunehmenden Flächenverbrauch und den damit verbundenen Baumaßnahmen der heutigen Zivilisation kann auch eine immer dichter werdende Streubesiedlung der ländlichen Region mit kleinen römischen Landgütern nachgewiesen werden.

 

In unserer Region wurden diese größtenteils ab der Mitte des ersten Jahrhunderts n. Chr. gegründet oder gingen vereinzelt sogar aus älteren Betrieben hervor. Besonders entlang der in Nord-Süd Richtung verlaufenden Nebenstraßen, die die beiden großen Römerstraßen der Münchner Schotterebene Augsburg - Salzburg beziehungsweise Augsburg - Wels miteinander verbanden, zeichnet sich eine verstärkte Siedlungsaktivität ab. Die Straßengräben einer dieser Nebenverbindungen konnten in der Aschheimer Villa in zwei aufeinanderfolgenden Phasen dokumentiert werden.

 

Pferdezucht und Landbau

Ihren Lebensunterhalt erarbeiteten sich die Bewohner dieser kleinen Landgüter aus landwirtschaftlicher Überproduktion. Neben dem Feldbau, wo entsprechend der Funde an verkohltem Getreide in erster Linie Dinkel, Emmer und Einkorn angebaut wurden, dürfte auch die Zucht von Tieren einen einträglichen Verdienst beschert haben. Pferde waren beim Militär immer begehrt und konnten mittels guter Straßenlagen rasch verhandelt werden. Der Eigenbedarf an Mehl konnte wie Eisen- und Mühlsteinfunde aus einer Grube der Aschheimer Anlage zeigen, mittels einer mechanischen Kurbelmühle gemahlen werden (Abb. 3).

 

 

Abb. 3: Getreidemühle

 

 

Bauernhaus aus Holzfachwerk und Tuffstein

Die aus den Grabungen geborgenen Funde am hier vorgestellten Steingebäude zeigen, dass die Aschheimer Villa Rustica vom 1. bis in die Mitte des 4. Jahrhunderts n. Chr. bewirtschaftet wurde. Das Hauptgebäude des 1. Jahrhunderts n. Chr. war zunächst ausschließlich als Lehm-Fachwerkbau mit Ziegeldach errichtet worden.  Lediglich die Reste eines kleinen, offensichtlich nachträglich im Südwesten angebauten Steinbaus mit Apsis blieben aus dieser frühen Phase erhalten. Bereits er erfüllte die wohl die Funktion eines kleinen beheizbaren „Badezimmers“ (Abb. 5).

 

 

Abb. 5: freigelegte Funde

 

 

Wohl nach einem Brand um die Mitte des 2. Jahrhunderts war es umgebaut worden. Auch das neue Haus entstand in Mischbauweise aus massiver Tuffsteinmauer und Holz-Fachwerkbauweise. Zurückzuführen ist die Verbindung der traditionellen Holzbauweise mit gemauerten Räumen sicher auf die in der Region nur begrenzt verfügbaren Baumaterialien, insbesondere dem in römischer Zeit so beliebten Tuff. Er mußten über wohl teilweise über längere Distanzen herbeigeschafft werden. Entsprechend der Finanzkraft des Bauherrn wurden mehr oder weniger Wände in massiver Steinbauweise aufgezogen.

 

Die spärlichen Fundamentreste eines weiteren, parallelen Wohntraktes konnten dokumentiert werden. Eine Vielzahl an Pfostenspuren im direkten Umfeld der Fundamente erlauben eine Gesamtrekonstruktion des Hautgebäudes. Ein oberes Stockwerk für die Wohnräume kann angenommen werden. Einheitlich getüncht dürfte das repräsentativen Villen nachempfundene Haupthaus mit seinen beiden überhöhter Eckbauten trotz unterschiedlichen Bautechniken einen respektablen und einheitlichen Gesamteindruck vermittelt haben (Abb. 4).

 

 

Abb. 4: Rekonstruktionszeichnung der Villa rustica in Aschheim

 

 

 

Badezimmer im Römerhof

Eine seltene Besonderheit in der Aschheimer Anlage ist das ins Hauptgebäude integrierte Bad. Zusammen mit dem geringen Steinausbau der Architektur spricht es für die bescheideneren finanziellen Möglichkeiten seines Erbauers, der sich dennoch nicht die Annehmlichkeiten römischer Zivilisation entgehen lassen wollte. Normalerweise stehen Thermen frei, etwas abgerückt vom Haupthaus und weisen mehrere Räume für die unterschiedlichen Funktionen des Badewesens auf. (Abb. 6)

 

Der Badetrakt nahm das Erdgeschoß des Nordwestteils ein und bestand aus einem einzigen Raum, der offenbar ganz in römischer Badetradition über caldarium (Warmbad) und frigidarium (Kaltbad) verfügte. Ob sich eine weiteres Becken für das tepidarium (lauwarmes Wasser) im Raum befand ist fraglich. Die zwei ungleich große Apsiden (Abb. 5 Apsis 1 und 2), für kleinere Sitzbecken, dürften warmes und kaltes Wasser aufgenommen haben. Brocken des typischen wasserfesten, rosa Mörtels fanden sich jedenfalls in repräsentativer Menge. Vereinzelte Fragmente von Jurakalk-Platten (heute als Solnhofner Platten geläufig) als typischer Bestandteil einer Badeanlage, konnten entweder Wannenauskleidungen oder Bodenplatten Verwendung gefunden haben. Immerhin lieferte der Bauschutt der älteren Phase einige Mörtelbrocken mit anhaftenden Resten ehemaliger bunter Wandmalerei. Ferner fanden sich drei weitere Leisten aus Jurakalk mit geschliffenem Rand (Abb. 7).

 

 

Abb. 7: Reste der Ausgestaltung von Raum 4

 

 

Fußbodenheizung gegen kalte Badetage

Im zweiten und dritten Jahrhundert war der heute sichtbare Estrichboden nur die tragende Unterkonstruktion für eine aus Ziegelpfeilern errichtete Fußbodenheizung, die das Bad erwärmte. Befeuert wurde sie durch eine außen liegende Schürgrube. Das Wasser musste mittels Ziehbrunnen herbeigebracht werden, deren Schächte unweit außerhalb der Mauern beobachtet wurden.

 

Im südlich angrenzenden Keller fanden sich großflächige Resten des Wandverputzes. Der noch bis zu 1,3 Meter tief erhaltene Mauerverband wies Reste einer kleinen Wandnische für eine Öllampe auf (Abb.8).

 

 

Abb. 8 Kellerwand

 

 

Zerstörung durch Germaneneinfälle

Mächtiger Brandschutt kennzeichnet eine in der Schotterebene allerorts nachgewiesene Katastrophe in der Mitte des dritten Jahrhunderts, als der rätische Limes durch wiederholte Germaneneinfälle überrannt und 266 schließlich die Gebiete nördlich der Donau militärisch aufgegeben wurden. Auch die Aschheimer Anlage blieb offensichtlich von den bis weit in die Provinz vordringenden germanischen Plünderern nicht verschont, wurde aber nicht aufgegeben. Teile des angefallenen Brandschutts waren kurzerhand in den Keller und diverse offene Gruben planiert worden.

 

Die Aschheimer Villa der Spätphase ist überwiegend dem vierten Jahrhunderts zuzurechnen. Noch brauchbare Gebäudeteile hingegen, wie die massiven Mauerelemente des ehemaligen Badetraktes, wurden in reduziertem Umfang weiter benutzt, wenn auch sicher nicht mehr als Bad. So wurde beispielsweise die ehemalige Fußbodenheizung unter dem Baderaum entfernt und der heute sichtbare Mörtelestrich war fortan der Boden. Im ehemaligen Ostflügel belegen nachträgliche Einbauten einer typisch spätantiken Kanalheizung umfangreiche Umgestaltungen und Nutzungsänderungen.

 

Das Ende der römischen Bewirtschaftung scheint entsprechend der Münzreihe aus über 100 Stücken, in der Mitte des vierten Jahrhunderts anzunehmen zu sein, als erneut germanische Stämme die Donau als neue Reichsgrenze überrannten und brandschatzend und mordend über die Bewohner der zumeist der ungeschützten Landsiedlungen der Provinz herfielen.

 

Dass die Ruinen aber keine 150 Jahre später von erneutem Interesse gewesen sein dürften, belegt die hohe Anzahl römischer Kleinfunde, die zumeist mit Amulettcharakter in den Gräbern des bajuwarischen Gräberfeldes von Aschheim Auftauchen und ein systematisches Absuchen nach verwertbaren Altstücken belegt. Alle inzwischen größtenteils restaurierten Kleinfunde der Grabung sind im Original zusammen mit den übrigen reichhaltigen Bodenfunden aus dem Gemeindegebiet, in der Geschichtlich-Heimatkundlichen-Sammlung Aschheim, in der Münchner Straße 8, zu besichtigen.

 

 

 

Literatur:

W. Czysz, Der römische Gutshof in München-Denning und die römerzeitliche Besiedlung der Münchner Schotterebene. Kat. Prähist. Staatsslg. 16 (Kallmünz 1974).

 

H.-P. Volpert, Eine römische Kurbelmühle aus Aschheim, Lkr. München, Bericht Bayer. Bodendenkmalpflege 38, 1997 (1998), 193-199.

 

H.-P. Volpert, S. Winghart, Arch. Jahr Bayern 2001, 104-106.