Constanze Hallgarten (1881 – 1969)

 

Schlendert man heute durch den Herzogpark, so beobachtet man eine zunehmende „Verprotzung“ der renovierten alten oder neu erbauten Villen, einhergehend mit einer Entindividualisierung und Anonymisierung. Der Charme des Zaubergartens, den Thomas Mann mit seinem Hund Bauschan durchstreifte, ist längst verloren, und auch von dem Parkcharakter durch die sehr großen Villengrundstücke ist wenig geblieben. Das ehemalige Haus der Familie Hallgarten, Pienzenauerstraße 15, das zur Zeit (2012) zur wohl kapitalträchtigen Investorenresidenz „aufgenobelt“ wird, erlebte diese politisch–historisch und wirtschaftlich bedingten Veränderungen des 20. Jahrhunderts. Der Herzogpark entstand vor etwa 100 Jahren als neues Wohngebiet für das gebildete,intellektuelle, wohlhabende Bürgertum. Er wurde für diese Familien zur „sehr geliebten Residenz“. Man führte ein „großes Haus“, pflegte gesellschaftlichen Umgang mit allen, die damals „Rang und Namen“ hatten, Lenbach, Pfitzner, Thoma u.v.a. waren Freunde, die Manns wohnten um die Ecke, die Kinder der prominenten benachbarten Familien pflegten regen Kontakt. „Der Laienbund Deutscher Mimiker“, eine Theatergruppe der Kinder von Thomas Mann, Prof. Hallgarten, Bruno Walter u.a. wagte sich an anspruchsvolle Theaterstücke, die in den eigenen Häusern, so auch in der großen Diele bei Hallgartens, aufgeführt wurden. Frau Constanze Hallgarten wurde 1881 in Leipzig geboren. Ihr Vater war ein reicher Bankier, ihre Mutter Philippine Wolff-Arendt eine damals recht angesehene Malerin. Sie erhielt eine exzellente künstlerische und politisch kritische Erziehung. Im Jahr 1900 heiratete Constanze den privatisierenden Juristen und Philosophen Robert Hallgarten, zog mit ihm nach München, ab 1907 in die neue, großzügige Villa Pienzenauerstr.15. 1901 wurde George W. F., der spätere Historiker, und 1905 der spätere Maler Richard, gen. Ricki, geboren.

 

 

Sie gilt als exzentrisch; durch ihre Mutter hat sie Kontakt zu Kämpferinnen für Frauenrechte wie Anita Augspurg und Lida Gustava Heymann. Thomas Mann nannte sie noch nach Jahren, als sie sich im kalifornischen Exil wieder trafen, zwar „die liebe Frau Nachbarin“, bespöttelte sie ob ihres politischen Engagements aber auch als „kleines Köpfchen“, für Ludwig Thoma war sie eine „hysterische Jüdin“. Obwohl Dame der Gesellschaft richtet sich ihre Aufmerksamkeit auf das Schicksal der Soldaten im Krieg. Sie organisiert zu Hause Kleiderspenden für die Front, versorgt in ihrem Garten Verwundete und beschäftigt in ihrem Haus auf eigene Kosten notleidende Frauen, die für das Militär nähen. Für diese patriotische Einstellung erhält sie das ‚Ludwigskreuz‘, doch bald folgt Ernüchterung. Ab 1917 beteiligt sie sich am Aufbau des „Internationalen Frauenausschusses für den dauernden Frieden“, 1919–33 ist sie Vorsitzende der „Internationalen Frauenliga für Frieden und Freiheit“ (IFFF). Ihre antimilitaristische, pro-republikanische Einstellung, die sie durch Vorträge und Publikationen verbreitet, stößt bis weit in die Nachkriegszeit hinein nicht nur in konservativen Kreisen auf Skepsis und Ablehnung. Sie gilt als Kommunistin und Bolschewistin. Während des Hitlerputsches 1923 wird ihr Haus gestürmt. Das „Nie wieder Kriegs-Geschrei wilder Weiber“ gilt als „gefährliche Umtriebe“. Sie steht auf einer „Schwarzen Liste“ der zu entfernenden Personen.1931 gründet Constanze Hallgarten die deutsche Sektion des „Weltfriedensbundes der Mütter und Erzieherinnen“. Das Abzeichen dieses „Weltfriedensbund“, die weiße Taube auf blauem Grund, ist seither Symbol der Friedensbewegung. Nach der Machtergreifung 1933 verlässt sie zusammen mit ihrer Mutter und ihrem Sohn George München, ihr Mann war bereits gestorben und Ricki atte sich aus Verzweiflung erschossen. Sie lebt einige Jahre in Paris, wo ihre Mutter stirbt, und flieht nach dem Einmarsch der Deutschen auf abenteuerliche Weise nach Kalifornien. 1955 kehrt sie nach München zurück, lebt in einem Altenheim am Stadtrand, wo sie 88-jährig wegen zunehmender Hinfälligkeit ihr Leben selbst beendet.

 

Gisela Scola, NordOstMagazin 2013

 

 

 

Literatur:

Gerta Andreas, Der "Laienbund Deutscher Mimiker" im Herzogpark, in: Bogenhausen. Vom bäuerlichen Pfarrdorf zum noblen Stadtteil, Buchendorfer Verlag 1992, S. 170

Dorle Gribl, Prominenz in Bogenhausen, Volk Verlag 2009, S. 90–93

Hiltrud Häntzschel, Dame der Gesellschaft im Dienst des Friedens, Bayerischer Rundfunk 24. Mai 1992

www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/constanze-hallgarten/

Detlef Garz/Anja Knuth, Constanze Hallgarten. Porträt einer Pazifistin, Hamburg 2004