Prof. Theodor Georgii (18831963)

 

Obwohl der Künstler Theodor Georgii bis zu seinem Tod tätig war und sein Werkverzeichnis mehr als 500 Arbeiten aufweist, ist er heute nahezu vergessen. Der in Shdany bei Borowitschi (Nähe Sankt Petersburg) in Russland als deutscher Bürger von Esslingen / Württemberg geborene Georgii wird meist im Zusammenhang mit seinem Schwiegervater Adolf von Hildebrand genannt, dessen Gehilfe, Schüler, Mitarbeiter und Berater Georgii war.

 

Mit 17 Jahren legte er unter der strengen Aufsicht seine Vaters die Gesellenprüfung als Schreiner, Schlosser, Schmied und Maurer ab. Diese solide handwerkliche Vielseitigkeit befähigte den Künstler sein Leben lang, die Werke in unterschiedlichen Arbeitstechniken perfekt auszuführen. Drei Jahre später kam Georgii nach Stuttgart, wo er vom Frühjahr 1902 bis März 1903 an der dortigen Kunstakademie bei dem Maler und Bildhauer Robert Poetzelberger studierte. Im Sommer 1903 ging Georgii an die Kunstakademie in Brüssel und studierte bei den Bildhauern Julien Dillens, JulesLagae und Charles van der Stappen.

 

1905 reiste Georgii nach Florenz, um sich dort dem berühmten Bildhauer Adolf von Hildebrand vorzustellen. Hier lernte er auch seine spätere Frau Irene (18801961), die Tochter Hildebrands und ebenfalls Bildhauerin wie ihr Vater, kennen und verliebte sich in sie. Hildebrand bot dem nahezu mittellosen jungen Künstler an, sofort in seiner Werkstatt als Gehilfe für einen Lohn von 350 Goldmark anzufangen und im März 1905 trat er in dessen Atelier ein. Im Herbst 1905 kehrte Georgii als Verlobter zurück, mietete sich ein Atelier in Schwabing und arbeitete zugleich in Hildebrands Atelier in Bogenhausen an der Maria-Theresia-Straße 23, wo die Familie Hildebrand auch eine stattliche Villa bewohnte. Georgii fügte sich als Gehilfe schnell in den Arbeitsablauf des Werkstattbetriebes seines zukünftigen Schwiegervaters ein, den er mit den eigenen Arbeiten in seinem Schwabinger Atelier abstimmen musste. Zu seinen Aufgaben in Hildebrands Ateliergehörten zunächst die Überarbeitung von Tiermodellen und die Erstellung von Modellen nach Hildebrands Entwürfen und Zeichnungen. Später kam die Ausführung in Stein von Hildebrands Werken hinzu. Am 27. März 1907 heiratete Georgii Irene und war nun nicht nur künstlerisch mit seinem Schwiegervater, sondern auch menschlich eng mit der angesehenen Familie und deren regen gesellschaftlichen Leben in der Villa verbunden.

 

 

1908

 

 

Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs bedeutete eine schwere Zäsur in diesem großbürgerlichen Leben der Hildebrands. Nachdem Theodor und Irene nach ihrer Hochzeit in die Mauerkircherstraße 2 gezogen waren, kehrten sie aufgrund eines Schlaganfalls von Hildebrand wieder in die Villa an der Maria-Theresia-Straße zurück. Das Obergeschoss wurde 1911 von Hildebrands Schwiegersohn Carlo Sattler für die junge Familie Georgii umgebaut. Zur nördlichen Siebertstraße gelegen, befanden sich hier zuvor ein Maler- und ein Bildhaueratelier für Hildebrands Töchter Elisabeth und Irene. Das Maleratelier wurde in ein Speisezimmer und Wirtschaftsraum unterteilt und das Bildhaueratelier von Theodor Georgii übernommen.

 

 

1912

 

 

Nach Kriegsende wurde die Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln in den Städten immer schlechter, sodass Theodor und Irene Georgii Ende 1918 von dem Honorar (16.000 Mark), dass die äußerst begabte Malerin und Bildhauerin Irene für ihre Figur der »Patrona Bavariae« (1905, Wittelsbacher Brunnen in Eichstätt, in Zusammenarbeit mit ihrem Schwager Carlo Sattler) erhalten hatte, ein einfaches Bauernhaus in Höhenrain in der Nähe von Bad Aibling kaufen und spärlich möblierten konnten, um dort mit den drei Kindern einzuziehen und sich selbst zu versorgen. Georgii war in dieser Zeit in München, kümmerte sich um das große Haus in Bogenhausen und vertrat seinen Schwiegervater im Atelier, der sich aus politischen Gründen in die Schweiz zurückgezogen hatte. Einige Jahre diente das Höhenrainer Haus als Sommerferiensitz, aber nachdem das Hildebrandhaus 1934 aus finanziellen Gründen von den Erben (Sohn Dietrich und Tochter Irene) verkauft werden musste, wurde das Bauernhaus endgültig zum Hauptwohnsitz der Georgiis.

 

 

1914

 

 

1921 starben Adolf von Hildebrand und wenige Monate später auch seine Frau Irene. Georgii übernahm das Atelier und die Werkzeuge seine Schwiegervaters und führte den Werkstattbetrieb weiter. Auch das gesellschaftliche Leben in der Villa wurde in guter Tradition hier wieder zu einem Mittelpunkt der Stadt. 1922 konvertierte Georgii wie zuvor seine Frau Irene vom protestantischen zum katholischen Glauben  und wandte sich von da ab intensiv der christlichen Kunst zu, die ein eigenständiger Bereich seines Schaffens wurde. Die Jahre zwischen 1919 und 1922 bedeuteten für Georgii erste Geldsorgen, denn der aufwändige Lebensstil der Familie musste nach dem Tod des großen Hildebrand erst einmal finanzieren werden. Öffentliche und private Porträtaufträge ermöglichten dies, denn es gehörte sich, von Georgii porträtieren zu lassen, wenn man »jemand war«. 1924 wurde Georgii als künstlerischer Berater der Dombauhütten in Regensburg und Passau ernannt ein Beispiel wie gut sein Ruf als Steinbildhauer war. Eine besondere Ehre war es für den Künstler auch, als er 1921 zum Mitglied auf Lebenszeit des Ausschusses des Deutschen Museums gewählt wurden, wahrscheinlich an Stelle des verstorbenen Hildebrands. Vom Museum erhielt Georgii viele Jahre lang Aufträge und sein Wissen als künstlerischer Berater war oft gefragt. 1930 erschien von Hubert Klees die erste Monografie zu Georgiis Werk mit einem Vorwort von Wilhelm Pinder, Ordinarius für Kunstgeschichte an der Münchner Universität. Dass dieser dazu gewonnen werden konnte zeigt, dass Georgii damals als einer der bedeutendsten Bildhauer in München angesehen wurde.

 

In den 1930er-Jahren sorgte jedoch die Weltwirtschaftskrise sowie der zunehmende Einfluss der Nationalsozialisten dafür, dass die privaten wie öffentliche Aufträge zurückgingen. Georgii stand mit 50 Jahren am Zenit seines Schaffens und geriet in finanzielle Schwierigkeiten. Seine künstlerische Karriere brach in Deutschland weitgehend ab und 1934 wurde das Hildebrandhaus an Elisabeth Braun verkauft. Georgii konnte Hildebrands Atelier nur noch zur Miete nutzen und den kleinen Raum neben dem Eingang untervermieten. Die dort zuvor jahrelang öffentlich ausgestellten Werke von Hildebrand wurden jetzt teilweise in sein Atelier umgeräumt. Die Familie, die inzwischen auf fünf Kinder angewachsen war, zog ganz nach Höhenrain ins Bauernhaus. Obwohl für Theodor Georgii kein Berufsverbot von den Nationalsozialisten erteilt wurde, galt auch er als unzuverlässig, da er kein Mitglied der NS-Partei war und zur regimekritischen Familie Hildebrand gehörte. Man vermied es ab 1933 dem Künstler öffentliche Aufträge zu geben, sodass sich Georgii 1935 entschloss, ohne Familie nach Wien zu ziehen. Er mietete dort ein möbliertes Zimmer und bemühte sich tatkräftig um Aufträge und einen Lehrauftrag. Und es gelang ihm: Im Herbst 1935 nahm Theodor Georgii seine Lehrtätigkeit an der Kunstgewerbeschule auf, wo er bis zum »Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich« im März 1938 die Bildhauerklasse unterrichtete. In der am 18. Juli 1937 im neu errichteten »Haus der Deutschen Kunst« von Hitler eröffneten »Große Deutschen Kunstausstellung« war Georgii mit keinem einzigen Werk vertreten. Nach dem »Anschluss« Österreichs wurde Georgii fristlos von den Nationalsozialisten entlassen und er kehrte von Wien nach München zurück. Er versuchte sich von da an, sich möglichst unauffällig zu verhallten und nicht in Konflikt mit der NS-Partei zu geraten, da er ein Berufsverbot fürchtete, dass über seine Frau bereits verhängt worden war.

 

Nach Kriegsende wollte Georgii das von Bomben verschont gebliebene Hildebrandhaus, in dem die Familie über 30 Jahre lang ihren Mittelpunkt, hatte zurückerwerben, was ihm aber nicht gelang. Ab 1948 konnte er immerhin die Wohnung und ein Atelier (heute Veranstaltungsraum) im Hildebrandhaus weiterhin von der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche anmieten. Den Verkauf des Anwesens von der Kirche an Investoren im Jahr 1965, die das Hildebrandhaus abreißen lassen wollten, erlebte Georgii nicht mehr.

 

Georgii, der wie seine Kollegen nach dem Zweiten Weltkrieg vom »Gesetz zur Befreiung von Nationalsozialismus und Militarismus« nicht betroffen war, erhielt schon vor der Wiedereröffnung der stark beschädigten »Akademie der Kunst« am 1. April 1946 einen dreijährigen unkündbaren Dienstvertrag als Lehrer für Bildhauerei. Der Dienstvertrag wurde in der Folgezeit zweimal verlängert bis er am 30.September 1952 endgültig wegen Georgiis Alter auslief. In dieser Zeit (1949 bis 1954) wurde der erst 15-jährige Martin Mayer sein Privatschüler neben Toni Stadler Georgiis bedeutendster Schüler.

 

 

1949

 

 

1951 bis 1952 arbeitete Georgii neben seiner Tätigkeit als Hochschullehrer an der Mammutaufgabe, Hildebrands im Krieg beschädigten Wittelsbacher Brunnen zu restaurieren (Erneuerung der Figur des »Steinwerfers«). Zwar erhielt er durch diesen Auftrag der Stadt München wieder Anerkennung als angesehener Bildhauer, doch Georgii arbeitete am Brunnen bis zur körperlichen Erschöpfung und auch das mühsame Ringen um eine kleine Pension verbesserte seine Lebenssituation nicht. In den 1950ere-Jahren erhielt Georgii hauptsächlich Aufträge im kirchlichen Bereich, im Gegensatz zu seinen einstigen Schüler Toni Stadler oder den Bildhauerkollegen Josef Henselmann und Anton Hiller, die nach dem Wiederaufbau der Stadt die Gelegenheit genutzt hatten, sich an Ausschreibungen für Skulpturen und Brunnen zu beteiligen, da die Stadt München und große Firmen ab Mitte der 1950er-Jahre wieder Aufträge für den öffentlichen Bereich vergaben. Bei dem Wettbewerb um einen »Kronprinz-Rupprecht-Brunnen« in München gewann Georgii 1959 in Zusammenarbeit mit dem Architekten Erwin Schleich, den dritten Platz. Den Auftrag erhielt der Sieger Bernhard Bleeker. Im Allgemeinen waren jetzt jedoch jüngere Bildhauer gefragt, für deren moderne Bildhauerei Georgii das Verständnis fehlte.

 

 

1951/52

 

 

Nach dem Tod seiner Frau Irene am 24. Januar 1961 lebte Georgii im Bauernhaus in Höhenrain und bei seiner Tochter Silvia Treppesch in München. Unermüdlich arbeitete er in seinem Atelier im Hildebrandhaus, modellierte Büsten nach Fotografien und aus dem Gedächtnis, da sein Augenlicht nachgelassen hatte. Aus Anlass seines 80. Geburtstags am 30. April 1963 wurde ihm am 5. Juli 1963 von der Landeshauptstadt München die Medaille »München leuchtet« verliehen. Ein paar Wochen später, am 21. August 1963, verstarb der Künstler eines plötzlichen Herztodes bei einem Besuch in Esslingen, dem Herkunftsort seiner Familie. Drei Tage später wurde er auf dem Friedhof in Großhöhenrain neben seiner Frau Irene und seiner mit 16 Jahren verstorbenen Tochter Elisabeth beigesetzt. Die Grabgedenktafel schuf er noch zu seinen Lebzeiten.

 

 

Werke von Theodor Georgii im Münchner Nordosten:

 

 

 

Textquelle:

Zusammenfassung aus: Regine Stefani: Der Bildhauer Theodor Georgii. 1883-1963. Biografie und Werkverzeichnis, Diss. an der Ludwig-Maximilians-Universität München, München 2013. URL: https://edoc.ub.uni-muenchen.de/16362/1/Stefani_Regine.pdf

 

Abbildungen von oben nach unten: