Am 25. September 1935 erwarb die nach dem Tod ihres Vaters (1929) vermögende Elisabeth Braun das Hildebrandhaus, Maria-Theresia-Straße 23, das sie ab November 1938 mit ihrer Stiefmutter Rosa Braun bewohnte. Bis dahin lebte sie als freie Schriftstellerin (es sind keine Werke überliefert) am Tegernsee. Erst nachdem die Judenverfolgung eskalierte und Verwandte in den Selbstmord getrieben wurden zog sie zu ihrer Stiefmutter nach München. Bis zum Mai 1941 nahm Elisabeth Braun noch 15 weitere »nicht arische« Mitbürger und Mitbürgerinnen zur Untermiete in das Hildebrandhaus auf, denn ab dem Frühjahr 1939 begannen die NS-Behörden mit der Räumung von Wohnungen, in denen jüdische Mitbürger lebten. Juden sollten ausschließlich in »jüdischen« Häusern wohnen notfalls zwangsweise. Im April 1941 waren durch diese »Wohnraumarisierung« von den rund 1800 Wohnungen im jüdischen Besitz noch ganze 45 übrig. Die »Entjudung« von Wohnraum in München trug ganz wesentlich zur weiteren Ausgrenzung, sozialen Isolation und Entrechtung der Juden bei. Sie verloren ihre Wohnungen und oft die letzten Zufluchtstätten und waren - in den »Judenhäusern« oft menschenunwürdig zusammengepfercht - leicht für die späteren »Entmietungen« zu erfassen. Das Hildebrandhaus war wohl keines der »Judenhäuser« wie man sie zum Beispiel in der nahen Möhlstraße 30, in der Herz-Villa, zwangsweise einrichtete, denn Elisabeth Braun konnte noch Einfluss auf ihre Einquartierungen nehmen und sah in ihrem Haus ein letztes Bollwerk gegen die Repressalien des nationalsozialistischen Regimes.

 

Als »Volljüdin« drohte Braun die Enteignung ihrer Immobilien und 1940 wurde sie schließlich zur »umgehenden Veräußerung« ihres Besitzes aufgefordert. Unter diesem Druck schrieb sie im Alter von nur 52 Jahren deshalb am 21. Juni 1940 ein Testament, das die Evangelisch-Lutherische Landeskirche in Bayern zur Erbin des Hildebrandhauses einsetzte, mit der Auflage der Betreuung »nicht arischer« Christen und der »Judenmission«. Das Testament hinterlegte sie bei Friedrich Bauer, dem damaligen Pfarrer ihrer Gemeinde, der Dreieinigkeitskirche in Bogenhausen. Trotz ihrer Weigerung die Villa zu verkaufen, kam es zur bereits lange befürchteten Einziehung des Vermögens von Elisabeth Braun und zur »Entmietung« im Oktober 1941. Rosa und Elisabeth wurden gezwungen in eine »Heimanlage für Münchner Juden« in der Clemens-August-Straße 9 im Stadtteil Berg am Laim zu ziehen, alle anderen Bewohner hatten ebenfalls das Hildebrandhaus zu verlassen. Später kam Elisabeth Braun in das neu errichtete Barackenlager in der Knorrstraße 148 in Milbertshofen, von dem aus sie und einige ihrer Mitbewohner des Hildebrandhauses zusammen mit 1000 anderen Männern, Frauen und Kindern am 20. November 1941 mit dem ersten Deportationszug aus München nach Kaunas in Litauen verschleppt und dort am 25. November 1941 vom Einsatzkommando 3 erschossen wurden. Der Massenerschießung an diesem Tag fielen insgesamt 1159 Männer, 1600 Frauen und 175 Kinder aus Deutschland zum Opfer. Am 11. März 1948 wurde Elisabeth Braun für tot erklärt.

 

Rosa Braun wurde am 1. Juli 1942 nach Theresienstadt deportiert und drei Jahre später dort ermordet. Keine der »nicht arischen« Bewohner des Hildebrandhauses hat den Holocaust überlebt.

 

In Erinnerung an Elisabeth Braun und die anderen während der NS-Zeit umgebrachten Bewohner und Bewohnerinnen des Hildebrandhauses enthüllte Kulturreferent Dr. Hans-Georg Küppers am 26. November 2009 eine Gedenktafel im Eingangsbereich der Villa. 

 

Die Landeshauptstadt München hat zur Erinnerung an die in Kaunas ermordeten Münchner Juden eine Gedenktafel errichten lassen. Das Mosaik wurde im November 2000 in Fort IX von Kaunas enthüllt. Entwurf und Gestaltung: Beate Passow, München. Ausführung: Gustav van Treeck, Werkstätten für Mosaik und Glasmalerei, München. Die Gedenktafel wurde auch im Münchner Rathaus mit demselben Text und 48 Portraits von deportierten Münchner Bürgern angebracht.

 

 

 

 

Der Text der Gedenktafel lautet:

 

In Trauer und Scham - und entsetzt über das

Schweigen der Mitwissenden - gedenkt die

Landeshauptstadt München der 1000 jüdischen

Männer und Frauen, die am 20. November 1941

von München nach Kowno deportiert und

fünf Tage später an diesem Ort

brutal ermordet wurden.

 

 

Eine am 19. November 2004 vor dem Hildebrandhaus errichtete Installation mit 17 weißen Koffern von Wolfram P. Kastner und Peter Weismann erinnerte an die ermordeten Elisabeth und Rosa Braun sowie die 15 Bewohner, denen sie in der Villa Zuflucht gewährt hatte. Parallel dazu erinnerte die Ausstellung "Auf einmal da waren sie weg ..." an die jüdischen Mitbewohner in Bogenhausen im "Dritten Reich" und setzte damit ein Zeichen gegen Ausgrenzung und Vergessen.

 

 

 

 

Im Jahr 2004 vergaben die Monacensia, das Kulturreferat der Landeshauptstadt München und die Evangelisch-Lutherische Kirche in Bayern einen Forschungsauftrag zur Geschichte des Hildebrandhauses und seiner Bewohner in der Zeit zwischen 1933 und 1967. Die bedrückenden Ergebnisse der Recherchen, die von den Historikern Dr. Christiane Kuller und Dr. Maximilian Schreiber durchgeführt wurden, liegen seit November 2006 in der „edition monacensia“ im Allitera Verlag München als Buch vor. Mit der Gedenktafel neben dem Eingang des Hildebrandhauses erinnert die Landeshauptstadt München nun dauerhaft an das Schicksal der einstigen Eigentümerin Elisabeth Braun.

 

 

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Literatur:

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