Grobkonzept "Industriedenkmal Alte Ziegelei Oberföhring"

Darstellung der Ziegeleigeschichte Münchens

 

 

Inhalt

1. Historisches

2. Vorhandene Bauten

3. Wertaussagen

4. Ausstellungsmaterial und Geräte

5. Konzeptionelle Überlegungen

6. Themenpädagogisches Konzept "Alte Ziegelei"

7. Finanzierung

8. Initiativkreis und Kooperation

 

 

1. Historisches

„Ohne Lehm daats München net gebn!“

München ist aus Backsteinen aus dem Ziegelland im Osten der Stadt erbaut. Auch wäre der Wiederaufbau Münchens ohne Oberföhringer Ziegel undenkbar. Millionen und Abermillionen von Ziegelsteinen und Dachziegeln wechselten von einer Isarseite auf die andere. Zwischen Ramersdorf und Ismaning entstand während der letzten Eiszeit ein bis zu vier Meter mächtiger Lößlehmstreifen. Aus den ersten Feldziegeleien in Haidhausen stammten die Backsteine (Backsteingotik) der Frauenkirche. Zu Beginn des 18. Jahrhunderts erreichte der Lehmabbau Bogenhausen. Der Höhepunkt der Gründungen und der Produktion lag in der auch so benannten "Gründerzeit" nach dem deutsch-französischen Krieg von 1870/71 und in der Prinzregentenzeit um die Jahrhundertwende, bedingt durch das Wachstum Münchens.

 

Loambarone - Bedeutung der Ziegeleien für Oberföhring

Der Ziegelboom, das "goldene Zeitalter" der Ziegeleibesitzer, der "Loambarone", begann im Münchner Nordosten, speziell in den Oberföhring Ende des 19. Jahr­hunderts und dauerte knapp zwei Generationen. 33 Ringofenziegeleien standen um 1900 im ziegelroten Osten, davon 17 Oberföhring. (in Bayern waren es 260). Nur wenige Ziegeleien überlebten den Zweiten Weltkrieg.  Neben der Familie Deck gehörten zu den „Loambaronen“ von Oberföhring die Familien Grimmeisen, Grün­wald, Haid August, Haid Josef, Hartl, Meyer, Model, Pfeifer, Pröbst, Sedlmayer, Benno Welsch und Franz Welsch. Prachtvolle Gräber auf dem Oberföhringer Dorffriedhof zeugen von dieser Blütezeit Oberföhrings. Innerhalb des Burgfriedens stehen noch zwei Ziegeleiruinen, beide in Oberföhring.

 

Ziegelpatscher - Italienische Saisonarbeiter

Da ab der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts die einheimischen Arbeitskräfte nicht mehr ausreichten, warben die Ziegler billige italienische Saisonarbeiter an. Die Wanderar­beiter aus dem Friaul und Venetien kamen im Frühjahr nach Bayern und München, um als "Ziegelpatscher" den begehrten Baustoff herzustellen. 12 bis 16 Stunden arbeiteten Männer, Frauen und Kinder in den Ziegeleien. Zu essen gab es meist nur Maisgries und Käse, geschlafen wurde gleich in den Ziegelstadeln, die Wohneinheiten waren nur durch aufgehängte Tücher voneinander getrennt. Die Ar­mut in der Heimat lockte die Italiener über Generationen hinweg immer wieder in die bayerischen Ziegelfabriken. In manchen Jahren lebten weniger  Einheimische in Oberföhring als ausländische Ziegelarbeiter, oft unter unter miserablen sozialen Be­dingungen. Um 1900 lebten in ganz München über  6.000 Italiener, darunter viele Frauen und Kinder ab 11 Jahren, die diese schmutzige und schwere Arbeit verrichteten. 

 

 

2. Vorhandene Bauten

Trockenstadel

Zu Beginn 2009 gruppieren sich noch sechs Trockenstadel um das Maschinenhaus. Sie stehen alle im Bereich der neuen Bebauung und sollen abgebrochen werden.  Eines der Gebäude soll nach Planung des Architekturbüro Uez in den südlichen Bereich versetzt werden.

 

Maschinenhaus

 Das Maschinenhaus der Firma Deck (Baujahr etwa 1928) stellt gleichsam das Herz der Ziegelei dar. Seit der Betrieb 1964 eingestellt wurde, befinden sich heute noch die Maschinenanlagen in dem Bau. Von außen führt eine Aufzugsanlage ins Gebäude, eine Gleisrampe mit Seilwinde zum Hochziehen der Loren, mit denen der Lehm ange­liefert wurde. Vorhanden sind noch der Beschicker, mit dem Lehm zerkleinert wurde sowie der Kollergang zum Mahlen des Lehms, ein Portionierer und die Vakuumpresse. Der komplette Maschinenbestand gibt einen genauen Einblick in den Arbeitsablauf zur Herstellung der Ziegelsteine.

 

 

 

 

Beschreibung der Arbeitsabläufe mit den vorhandenen Maschinen:

Über eine Schienenrampe (1), mit einer Neigung von ca. 8 Grad, wurde zunächst der Lehm in Loren (2) mittels einer Seilwinde in das Maschinenhaus gezogen.

 

Die Im Haus befindlichen Maschinen und Geräte wurden über eine Transmission (3) angetrieben. Im Urzustand versetzte ein etwa 50 kW-E-Motor (4)  [Fabrikat wahrscheinlich Siemens&Halske, Berlin], der durch einen Stellwiderstand in seiner Drehzahl regulierbar war, eine Welle mit mehreren Drehabgriffen in Rotation (5). Mittels einer Riemenscheiben-Übersetzung von ca. 1:5 konnten langsame oder schnellere Drehungen erreicht werden.

 

Der Inhalt der Loren (in etwa 5m Höhe) wurde zunächst in einen sog. Beschicker (6) gekippt. In ihm wurde der Lehm von unerwünschten Anteilen befreit, gereinigt, grob zerkleinert, fein gemahlen und in einen darunter befindlichen Portionierer (7) und Mischer (8) gefördert.

 

Die darin entstehenden Lehmklumpen gelangten über ein Förderband in die eigentliche Ziegelpresse (9) [Baujahr 1942]. 

 

Der Lehm wurde mittels Wasser aus einem Tank (10), plastifiziert und von einer mechanischen Förderschnecke (11) durch ein Formloch (12) gezwängt, wodurch ein Ziegelstrang entstand. Ein Schneidgerät (13) kürzte den Strang dann auf die jeweilige Länge des Ziegelsteins, der danach das Maschinenhaus zum Trocknen, Brennen und weiter behandeln verließ.

 

Die technischen Unterlagen zur Restaurierung hat der Hersteller zugesandt. Der ehemalige Besitzer Deck hat einem Mitglied des Nordostkulturvereins vor Jahren Gleise und Loren der Feldbahn verkauft, die für eine Präsentation der Arbeitsabläufe verwendet werden könnten.

 

 

3. Wertaussagen

 

Erhaltungswürdigkeit

Maschinenhaus und die Trockenstädel stellen, als Relikte der ehemaligen Ziegelproduktion, einen starken Identifikationsfaktor für Oberföhring dar. Der Erhalt eines Trockenstadels - teilweise mit Trockenstellagen ausgestattet und in den südlichen Bereich versetzt – kann, in Verbindung mit dem Maschinenhaus, diese Wirkung auch künftig entfalten. Diese Anschauungsobjekte haben nicht nur identitätsbildende Kraft für das Stadtviertel und das neue Siedlungsgebiet, sondern besitzen durch ihre Singularität in München, auch Bedeutung für die ganze Stadt.

 

Das Maschinenhaus hat nach Einschätzung des Büros für Technikgeschichte Mün­chen das „Potential, der Neunutzung des Geländes einen unverwechselbaren Charak­ter zu geben und damit ein Alleinstellungsmerkmal zu schaffen.“

 

In einem ersten Gespräch mit dem Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege wird dem Maschinenhaus Denkmalwürdigkeit zu erkannt.

 

 

 

4. Ausstellungsmaterial und Geräte

  

Die Ausstellung „LehmZiegelStadt“, die von Juli 2008 bis Januar 2009 in Haidhausen, Berg am Laim, Ramersdorf und Bogenhausen zu sehen war, zeigte die Geschichte der Ziegeleien im Münchner Osten. Vorhanden sind außerdem verschiedene Loren und Ziegelsteine und typische Gerätschaften. Ausstellung und Geräte können neben dem Maschinenhaus und dem Trockenstadel wichtige Bestandteile zur Darstellung der vergangenen Epoche sein.

 

 

5. Konzeptionelle Überlegungen

 

l     Sicherung

Vordringlichstes Ziel muss sein, das Maschinenhaus zu sichern, um Vandalismus und Diebstahl zu verhindern. Mittlerweile wurden verschiedene Gruppen auf das Objekt aufmerksam und haben die „Location“ im Internet publik gemacht. Verschiedene Gegenstände, wie Feldbahngleise und Fahrzeuge wurden in den letzten Monaten vom Gelände gebracht und wurden vermutlich gestohlen. Der Verein NordOstKultur hat im November 2008 mit Hilfe des THW das Gebäude winterfest gemacht. Vor Baubeginn muss das Areal um das Maschinenhaus durch einen Bauzaun gesichert und geschützt werden.

 

Grundvoraussetzungen

Das Maschinenhaus darf nicht als monolithisches Denkmal als Fremdkörper inmitten der neuen Siedlung „Alte Ziegelei“ isoliert stehen   bleiben. Durch eine Wegeverbindung mit dem verlegten Trockenstadel, Einbeziehung der Dammwege und thematische Gestaltung der Grünfläche wird die Bedeutung der Ziegelproduktion für München anschaulich und erlebbar.

 

Maschinenhaus

Das renovierte Maschinenhaus mit einem Teil der Rampe wird mit seinen einmaligen Objekten erhalten. Die Maschinen werden restauriert und ggf. wieder in einen funktionstüchtigen Zustand versetzt. Im Gebäude und an den Maschinen werden Erklärungen angebracht. Das Maschinenhaus erhält Schaufenster und eine Galerie im ersten Stock, um von außen das Innenleben sehen zu können. Das Maschinenhaus soll nur bei Bedarf im Rahmen von Führungen und Aktionen für Interessierte zu bestimmten Terminen, wie am Tag des offenen Denkmals, zugänglich gemacht werden.

 

Trockenstadel

Ein Trockenstadel wird in den Bereich südlich des Baugebiets versetzt. In seinem Inneren wird ein Teil der Trockenstellagen aufgebaut und eine „Ziegelbox“ eingebaut, in der die Ausstellung „LehmZiegelStadt“ gezeigt wird.

 

südliche Grünfläche (Lehmpark)

Die Grünfläche südlich des Baugebiets bis zum Weg An der Salzbrücke mit den Dammwegen wird als Lehmpark bezeichnet und thematisch gestaltet, z.B. durch Öffnen und Freilegen der Lehmschicht an den Dammflanken. Auch die spezielle Topographie und Geologie des „Lehmparks“ kann durch wetterfest präparierte Tafeln (z.B. aus der Ausstellung LehmZiegelStadt) veranschaulicht werden.

 

Ziegelpfad

Beide Gebäude und Lehmpark werden durch einen Weg verbunden. Bei der Anlage des Wegs sollen Münchner Trottoir-Klinkersteine und ggf. Feldbahngleise verwendet werden. An verschieden Stellen wird durch Tafeln, bzw. durch Objekte historische Bezüge geschaffen.

 

 

6. Themenpädagogisches Konzept „Alte Ziegelei“

 

 

Ziele

Hauptziel ist es die große Bedeutung, die Lehmabbau und Ziegeleiwesen für die Entwicklung der Großstadt Münchens hatten ebenso zu veranschaulichen, wie die landschafts- und gesellschaftsprägende Rolle dieser Industrie für den Münchner Osten. Insbesondere die Bedeutung der Rolle der italienischen WanderarbeiterInnen wurde in der Migrationsgeschichte Münchens bisher zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt.

 

Der Erhalt und die Gestaltung des Maschinenhauses und eines Trockenstadels bietet für ortskundige Oberföhringer einen wichtigen Identifikationspunkt und für die Neubürger eine Chance, sich mit der Geschichte des neuen Siedlungsgebietes auseinanderzusetzen.

 

Während anderenorts an wichtigen Ziegeleistandorten in aufgelassenen Ziegeleien teilweise beeindruckende Museen entstanden (vgl. Doege, Christian, Bundesverband der Deutschen Ziegelindustrie e.V.: Führer zu den deutschen und europäischen Ziegeleimuseen), wurde dies durch die wirtschaftliche Entwicklungsdynamik Münchens verhindert. Der Nutzungsdruck auf freiwerdende Ziegeleiflächen war stets zu groß um eine museale Nutzung im größeren Stil zuzulassen. Das von München aus nächstgelegene Ziegeleimuseum befindet sich in Flintsbach/Winzer in Niederbayern.

 

Vor diesem Hintergrund ist es ein glücklicher Umstand, dass auf dem Gelände der ehemaligen Ziegelei Deck bis heute diese schützenswerten Gebäuderelikte erhalten geblieben sind.

 

Im Konzeptentwurf wird nicht erwogen, die alte Ziegelei „auferstehen“ zu lassen.  Es scheint viel sinnvoller, ehrlich den ehemals maroden Charakter des Maschinenhauses zu zeigen und darauf zu bauen, dass dem Gebäude daraus ein eigener „Charme“ erwachsen wird. Aus themenpädagogischer Sicht bietet die Tatsache, dass es sich bei dem Maschinenhaus, bzw. dem Trockenstadel der Ziegelei Deck um einen Torso handelt,  auch einen positiven Aspekt für das eigentliche Anliegen:

 

 

Die Darstellung der Ziegeleigeschichte Münchens

Die Reduzierung auf die wenigen originalen Bauten (so fehlt z.B. der Ringofen) bietet die Chance der Ausstellung „LehmZiegelStadt“  – die insbesondere im Hinblick auf die technischen Schaustücke zu ergänzen ist - mehr Aufmerksamkeit zu schenken. (Vgl. hierzu das Buch zur Ausstellung: Kasberger, Erich; Eckardt, Winfried, Hg.: LehmZiegelStadt – der Rohstoff Lehm in der Münchner Stadtgeschichte. München 2008).

 

Die historischen Bezüge reichen über die Ziegelei Deck hinaus auf das gesamte Lehmgebiet im Münchner Osten. Es kann die Geschichte des Ziegeleiwesens des gesamten Gebiets dargestellt werden, ohne dass dieses Vorhaben etwa durch das Übermächtige einer funktionierenden Ziegeleianlage Einschränkungen erfahren müsste. Produktionsprozesse - von der Handstrichziegelei über die Anfänge der Maschinenziegelei um 1890 bis zur industriellen Produktion mit halbautomatischem Betrieb um 1960 -, Arbeits- und Sozialgeschichte (Arbeitsverhältnisse, Lohnverhältnisse, Wohnverhältnisse, Streiks, Arbeitssicherheit etc.), die verschiedenen Ofenformen (Feldbrand, deutscher Ofen, Ringofen, Tunnelofen)  werden anhand von Bilden und Schauobjekten gezeigt.

 

4 Teile

Die vier Teile (Maschinenhaus, Trockenstadel, Lehmpark, Dammwege bzw. Ziegelpfad) bilden eine Themeneinheit. Folgende Schwerpunkte sind darzustellen:

Als Zielgruppen kommen in Frage:

Besonderes Augenmerk gilt der Zielgruppe der Schüler und Jugendlichen. Auf den geplanten Bau eines Horts (50 Pl.) und einer Kindertagesstätte „Alte Ziegelei“ (25 Pl.) in dem Baugebiet wird bei den Planungen gezielt eingegangen.

 

 

Angebote

Folgende Angebote sind denkbar:

 

Programm für Kinder

 

 

Programm für Schüler und Jugendliche

 

Die Münchner Volkshochschule war maßgeblich mit an der Aufarbeitung der Ziegeleigeschichte des Münchner Nordostens beteiligt, u.a. mit der Federführung bei den beiden Buch- und Ausstellungsprojekten „Dörfer auf dem Ziegelland“ und „LehmZiegelStadt“, die jeweils große öffentliche Aufmerksamkeit fanden. Die MVHS beteiligt sich ebenso an der Konzeptentwicklung des Industriedenkmals „Alte Ziegelei Oberföhring“ und wird über ihr Stadtbereichsprogramm München Ost, sowie interne und externe Kooperationen (Ökologisches Bildungszentrum, Museumswerkstatt u.ä.) dazu beitragen, dass die Ziegeleiobjekte auf dem Gelände wahrgenommen und belebt werden.

 

7. Finanzierung

 

In Bearbeitung:

 

8. Initiativkreis und Kooperationen

 

Der Verein für Stadtteilkultur im Münchner Nordosten e.V. (NordOstKultur) hat einen Initiativkreis an Fachleuten gebildet, um ein Konzept zur Erhaltung und zum Betrieb des Industriedenkmals „Alte Ziegelei“ zu erstellen. In einem Workshop am 16.01.2009 diskutierten Bauträger, Architekturbüro, Experten und Interessierte über die weiteren Schritte. 

 

Die Thematik „Alte Ziegelei“ soll in ihr ganzen Bandbreite untersucht werden.

 

Weitere Kooperationen mit Einrichtungen, wie dem Stadtmuseum, dem Ziegelforum Süd, etc. sind angestrebt.

 

 

 

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