Die Straßenbahnlinie nach St. Emmeram

Im Sommer 2010 feierte die Münchner Verkehrsgesellschaft das 115-jährige Jubiläum der elektrischen Straßenbahn. Die Pferdetrambahn, die seit 1876 unterwegs war, wurde bis zum Jahre 1900 durch elektrische Triebfahrzeuge ersetzt. Die Planung, eine Trambahn bis nach Oberföhring fahren zu lassen, gab es schon 1961. Damals wurden die Linien 9, 12, und 20 vom Herkomerplatz zur neuen Inselendschleife am Effnerplatz weitergeführt. Im Oktober 1970 ging dann die vorläufig letzte der geplanten Neubaustrecken in Betrieb: Die Linie 9 ab Effnerplatz bis zur neuen Schleife vor der Siedlung Cosimapark an der Ecke Cosimastraße / Englschalkinger Straße. Die längst vorgesehene und beim Straßenbau berücksichtigte Weiterführung bis nach St. Emmeram sollte nur dann verwirklicht werden, wenn sich zeigen sollte, dass die östlich liegende S-Bahn-Strecke nicht ausreicht, was zur damaligen Zeit nicht wahrscheinlich erschien. Ab Juni 1975 fuhr auch die Linie 20 bis zum Cosimabad. Diese Strecke wurde mit dem Bau der U-Bahn 1980 wieder eingestellt. 

 

Im Frühjahr 2008 hat man die fast 50 Jahre alten Pläne – inzwischen bei der Bevölkerung sehr umstritten – wieder aufgenommen. Nachdem der Stadtrat den Plänen zustimmte, sollte die Beantragung des Planfeststellungsverfahrens im Sommer 2008 erfolgen. Geplant war, die Bauarbeiten für die 4,3 Kilometer lange Strecke im Frühjahr 2010 zu beginnen, damit ein Jahr später die Züge rollen können. Die Genehmigung der Strecke durch die Regierung von Oberbayern erfolgte im September 2009 und im März 2010 fingen dann die Bauarbeiten an. 

 

Zum ersten Mal wurde ein System aus der Schweiz errichtet, bei dem die Tram ihre Energie nicht nur aus der Oberleitung, sondern zusätzlich Strom aus einem Kabel im Boden erhält. Dadurch müssen weniger und kleinere Masten entlang der Strecke aufgestellt werden. Zwischen den Schienen ist ein kurzer, dichter Rasen angelegt, den Bereich zwischen Schiene und Straße hat man mit Wiesenblumen und Kräutern bepfalnzt, an die neun Haltestellen wurden jeweils acht bis zehn Bäume gesetzt. Die Kosten haben sich auf 15 Millionen Euro belaufen, Fahrgastaufkommen von 14.300 Personen pro Tag. 

 

 

 

 

Der erste Spatenstich fand am 21. Mai 2010 durch den Oberbürgermeister von München, Christian Ude, statt. Ort der Feier war die zukünftige Wendeschleife bei St. Emmeram, wo bis in die 1960er-Jahre die 1897 erbaute Villa des Ziegeleibesitzers Lorenz Hartl jr. stand. Der Zeitplan der Fertigstellung wurde oft durch die Witterungsumständen beeinträchtigt, aber auch der Bauuntergrund – er besteht zum größten Teil aus Lehmboden – war nicht von Vorteil. Er bot kaum Halt und so mussten die Arbeiter den Untergrund an vielen Stellen erst mit Kies verdichten. Bis Ende 2010 waren 90 Prozent der Gleise verlegt und an der Ecke Lohengrin-/Cosimastraße wurde eine Musterhaltestelle errichtet. Die Straßenbahnlinien 16 und 18 nach St. Emmeram fahren heute im 10- Minutentakt auf einer der modernsten Straßenbahnstrecken Europas. Am Effnerplatz fährt der „Cosima-Express“ dann mitten durch das Kunstwerk „Mae West“, das 2011 im Rahmen der Gestaltung des Platzes nach der Fertigstellung des Richard-Strauss- und Effnerplatz-Tunnels vollendet wurde.

 

Am Samstag, den 10. Dezember 2011, fand die Tram-Eröffnung mit Bürgerfest und Freifahrten statt. Mehr Informationen zur neuen Trambahnstrecke nach St. Emmeram hier.

 

Am 7. Januar 2012 berichtet die Süddeutsche Zeitung mit der Schlagzeile "Schmutzige Geschäfte beim Trambahnbau" allerdings von weniger erfreulichen Umständen beim Trambahnbau nach St. Emmeram. Ein Kartell von Stahlunternehmen hat offensichtlich die Münchner Stadtwerke um Millionen Euro betrogen, indem Großaufträge untereinander abgesprochen wurden. Die Stadt möchte jetzt ihr Geld zurück:

 

"Ein Kartell von Stahlunternehmen soll Schienen und Weichen zu weit überhöhten Preisen abgerechnet haben. Das besagen Erkenntnisse des Bundeskartellamtes in Bonn, das in zahlreichen Fällen ermittelt. (...) Eine deutsche Voestalpine-Tochter und Thyssen-Krupp aus Essen haben (teils zusammen mit anderen Unternehmen) Ausschreibungen unter sich ausgemauschelt und so Abnehmer um viele Millionen Euro geprellt. (...) Vorsorglich haben die SWM nach eigenen Angaben schon eine Anwaltskanzlei eingeschaltet."

 

 

 

 

Der weiß-blaue Wagen 2120 auf Höhe der ab Fahrplanwechsel aufgehobenen Bushaltestelle Salzsenderweg

auf einer Probefahrt im Herbst 2011. 

Im Hintergrund befindet sich noch eine der für den Stadtbezirk Bogenhausen typischen Ziegelei.

 

 

 

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Text: Karin Bernst, Ein Spaziergang durch den Münchner Nordosten, Kalender 2011, herausgegeben vom Verein für Stadtteilkultur im Münchner Nordosten e.V.

Abbildungen von oben nach unten:

Bautafel 2010 (privat)

Die einstige Villa von Lorenz Hartl in Oberföhring; Zeichnung von Karin Bernst, in: s.o.

Die Tram 2120 am Salzsenderweg © Freerik Buchleitner