1921 erwarb der damalige Firmeninhaber Kommerzienrat Gerhard F. Schmidt das erste eigene Fabrikanwesen an der Ismaninger Straße 105 (vormals Gaststätte und Metzgerei Betz), vier Mitarbeiter standen ihm zur Seite. 1923 wurde der Antrag des »Kontors Pharmacia M. Schmidt & Co« auf Errichtung einer Anlage zur Herstellung von Acetylsalicylsäure genehmigt. Allerdings war die Errichtung einer chemischen Fabrik an diesem Ort nicht unumstritten. Private Anrainer klagten – am Ende ohne Erfolg – beim Reichsfinanzhof, weil sie Belästigungen oder gar Gefahr für ihre Grundstücke befürchteten. Unter ihnen befanden sich unter anderen die Namen der Nachfolgegeneration der Bogenhauser Honoratioren Selmayr, Kaffl und Betz, die es mit Argwohn sahen, dass der Firmeninhaber selbst seine Villa nicht auf dem eigenen Firmengelände errichten wollte, sondern dafür ein Grundstück in der Laplacestraße bevorzugte. 

 

 

 

 

Von Anfang an arbeitete das Unternehmen sehr erfolgreich. 1935 wurde sein hier produziertes Schmerzmittel bereits in 46 Länder verkauft und die ständig steigende Produktion erforderte bald eine Erweiterung des Betriebes. In der nahegelegenen Trogerstraße konnte ein zusätzlicher Standort gefunden werden, wohin 1939 die Verwaltung, die Konfektionierungsabteilung und die Expedition ausgelagert wurden. Das Gebäude an der Trogerstraße 32 fiel im Zweiten Weltkrieg einem schweren Bombenangriff zum Opfer. Die Fabrikationsanlagen in der Ismaninger Straße blieben hingegen von größeren Schäden verschont. Im Juli 1944 wurde jedoch bei weiteren Fliegerangriffen der bis dahin erhalten gebliebene Tanzpavillon aus der Biedermeierzeit im rückwärtigen Teil des Gebäudes zerstört und auch die letzten Kastanien der Betz'schen Gastwirtschaft überstanden diese Angriffe nicht.

 

 

Betz'scher Tanzpavillon vor der Zerstörung durch Bomben

 

 

Da die Warenzeichenrechte für TOGAL in der Schweiz lagen, konnte die Firma von den Alliierten nicht beschlagnahmt werden und so stand der schnellen Nachkriegsentwicklung nichts im Wege. Am 7. Juli 1950 wurde bereits der Grundstein für ein zusätzliches neues Fabrikgebäude an der Ismaninger Straße gelegt. Das Münchner Stammhaus zählte 150 Beschäftigte, die Leitung hatte der Sohn des Firmengründers, Günther J. Schmidt, seit 1960 inne. 

 

 

Das Togalwerk im Haupthaus der ehemaligen Betz'schen Gastwirtschaft, 2007

 

 

2008 geriet das Unternehmen in wirtschaftliche Turbulenzen und stellte die Produktion ein, seitdem werden die Togal- und Efasit-Fußpflegeprodukte in anderen Fabriken hergestellt. Die Verwaltung des Unternehmens hat ihren Sitz in den »Fünf Höfen« in der Innenstadt. Schmidt starb 2009 mit 90 Jahren, er hatte eine von ihm gegründete Umweltstiftung als Erbin eingesetzt. Seine kinderlose Ehe war geschieden worden, es gibt einen unehelichen Sohn und zwei Ex-Freundinnen. Im März 2011 wechselten die 5100 Quadratmeter Togal-Werk den Besitzer.

 

 

Rückseite ehemalige »Betz'sche Gastwirtschaft«, 2014

 

 

Die Bayerische Hausbau – ein Unternehmen der Schörghuber-Gruppe – hat 2011 auf dem Areal mit dem Bau von 60 exklusive Wohnungen begonnen. Denkmalgeschützten Teile inklusive des denkmalgeschützten Georgi-Brunnen aus dem Jahr 1901 blieben erhalten, ein dreigeschossiges Fabrikationsgebäude, zwei Erweiterungsbauten und eine Garage wurden abgerissen. Außer den Wohnungen entstanden auf dem Areal 1500 Quadratmeter Büroflächen. Hausbau-Chef Jürgen Büllesbach stellte sich »exquisites Wohnen in einer Kombination aus historischen und neuen Gebäuden« vor, das Ganze umgeben von »malerischem Grün«. Damit wurde also das gesamte Quartier mit dem Nachbargrundstück an der Törring- und Montgelasstraße zu einem noblen Wohngebiet in Münchens ältestem Villenviertel ausgebaut. Die Firma Frankonia Eurobau errichtete Luxuswohnungen mit einem Quadratmeterpreisen von bis zu 14.000 Euro. Das Projekt bestand aus zwei großen Baukörpern. Der eine ist L-förmig entlang der Törring- und Montgelasstraße angeordnet, enthält 17 Wohnungen und Büroflächen (Planung Büro Steidle Architekten, München). An der Händelstraße ist eine Stadtvilla mit 14 Wohnungen mit klassizistischem Erscheinungsbild (Kahlfeld Architekten, Berlin) entstanden. Mit dem Verschwinden des Togal-Werks hat sich ein Stück Bogenhauser Geschichte unwiederbringlich verändert. 

 

 

»Betz'sche Gastwirtschaft« von der Törringstraße aus gesehen 1903 und 2014

(Mouseover-Effekt: bitte über das Bild fahren)

 

 

Die Fertigstellung des gesamten Komplexes war 2016. Das Hauptgebäude der ehemaligen »Betz'schen Gastwirtschaft« ist denkmalgeschützt und wurde vorbildlich saniert. 2017 erhielt es den Fassadenpreis der Landeshauptstadt München. Es beherbergt Stand 2020 das Königlich Thailändische Generalkonsulat.

 

 

 

 

 

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Text: Karl,  Willibald  (Hrsg.): Bogenhausen. Vom bäuerlichen Pfarrdorf zum noblen Stadtteil, München 1992.

 

Abbildungen von oben nach unten: