Der Hafner Michael April und seine Ehefrau Wilhelmine waren die ersten Besitzer von Hausnummer Priel 9a, einem Wohnhaus mit Hafner- (Töpfer-)Werkstätte und Brennofen mit angebauten Kamin. Im Jahre 1883 ersteigerte die Bayerische Hypotheken- und Wechselbank um 2000 Mark die Hafnerei und verkaufte diese am 3. August 1883 um 3600 Mark an die Hafnerstochter Maria Hunzinger. Nach einer alten Postkarte befanden sich hier die Bayerischen Kunststeinwerke und die Spezerei- und Branntweinhandlung von Joseph und Anna Holzmiller. Ludwig Wolf, Krämer aus Oberammergau, verlegte im Jahre 1899 sein Geschäft von Hausnummer 9b ins Nebenhaus 9a, und beantragte die dafür benötigte Konzession. So wollte er zusätzlich zur Krämerei noch Schnaps an Stehgäste ausschenken. Dies wurde ihm unter der Bedingung, bis 9 Uhr abends zu schließen, bewilligt. Seine Frau Anna Wolf übernahm 1902 nach seinem Tod den Laden und mit ihr der zukünftige Ehemann Joseph Holzmüller. Das Gesuch von Joseph Holzmüller um den Ausschank von Branntwein wurde aber vorerst abgelehnt, da die Räumlichkeiten nicht den Vorschriften entsprachen. Doch Holzmüller ließ sich nicht abwimmeln und begründete ein weiteres Gesuch: »(...) das Bedürfnis ist im hohen Grade vorhanden (Arbeiter der Ziegeleien, Ofenfabrik, Kunststeinfabrik, starker Verkehr mit Fuhrwerken – Bauern die von Ismaning und Johanneskirchen in die Stadt fahren) (...) und die Leute wollen Morgens um 1/2 5 Uhr statt Kaffee ein Gläschen Branntwein trinken.« Der damalige Besitzer des Anwesens, der Bildhauer Joseph Köpf, war vorerst nicht gewillt, bauliche Veränderungen am Haus vorzunehmen, um den Ladenraum auf 25 Quadratmeter zu vergrößern. Doch solange sich keine Missstände ergeben würden, erhielt Holzmüller dann die Konzession.

 

Dem Bildhauer Joseph Köpf gehörte bis 1910 das Haus, das er aber nicht selbst bewohnte, sondern an mehrere Parteien vermietete. Es lebten und arbeiteten dort auch ein Schuster und eine Schneiderin. Joseph Köpf wohnte in der Stadt und zwar in der Barerstraße 37. Er war kein berühmter Künstler, seine Bildhauerarbeiten kann man heute an den Fassaden der Häuser Widenmayerstraße 32 und 34 besichtigen und sicherlich an so mancher Villa im Herzogpark. 

 

 

 

 

Zu seinem Tode stand im Journal »Die christliche Kunst«, Jahrgang 1915/16, geschrieben:

 

»Am 23. Dezember versammelte sich im Schwabinger neuen Friedhofe eine größere Trauergemeinde, um den Bildhauer Joseph Köpf zur letzten Ruhestätte zu geleiten. 1867 in Schongau geboren, begann er seine Studien in der Schnitzschule Partenkirchen und vollendete in München seine Ausbildung. Köpf arbeitete am Reichstagsbau unter Professor Vogel, kehrte nach München zurück, um gemeinsam mit seinem Kollegen Müller an der plastischen Ausschmückung der Maximilianskirche zu arbeiten. Nach diesem begann er, sich um größere Aufträge zu bewerben; eine seiner ersten Arbeiten, der Brunnen im Café Gaßner, sicherte ihm weitere lohnende Aufgaben, so half er, die Rathausfassade mit figürlichem Schmuck zu versehen usw. (...) Köpfs Tod war die Folge eines Unglücksfalles; es war als hätte er sein Scheiden geahnt, so vollendete er noch einige Tage vor seinem Tod eine für das Schloß Weidenkamm bestimmte Gruppe.«

 

Joseph Köpf entwarf zudem Grabsteine und Grabdenkmäler. So sind auf der Postkarte "Bayerische Kunststeinwerke" viele Grabsteine zu erkennen.

 

Leonhard und Anna Heiglmeir kauften 1910 für 26.000 Mark das Wohnhaus mit Waschküche und Rückgebäude, wo das »Betonwerk München-Priel« untergebracht war. Sie führten den Laden mit Branntweinausschank weiter, bekamen aber bei einer Kontrolle Ärger, da sie in ihrem Laden auch Sitzgelegenheiten bereitgestellt hatten. Im Jahre 1919 erfolgte ein Tausch mit Matthias und Therese Berger. Von diesen kauften die Chauffeurs- und Krämerseheleute Franz und Katharina Wenninger für 35.000 Mark de Besitz und veräußerten ihn im gleichen Jahr für 43.000 Mark an Johann und Frieda Hahn.

 

Lange Zeit standen noch am Eingang zum Haus Oberföhriger Straße 35 drei stark überwucherte und daher kaum sichtbare Jugendstil-Zaunpfeiler. Vielleicht stammten sie vom früheren Besitzer, dem Bildhauer Joseph Köpf. Heute ist von all dem nichts mehr zu sehen und im Herbst 2021 wurde das Haus Oberföhringer Straße 35 abgebrochen.

 

 

 

 

 

 

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Text:

Bernst, Karin: Ein Spaziergang durch den Münchner Münchner Nordosten, Kalender 2013.

 

Fotos von oben nach unten: