»Edel-Messe« in der Lauer-Villa

Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs suchte der bis dahin als Maler wenig erfolgreiche Lauer (immerhin war die Konkurrenz in der "Kunststadt" München sehr groß und über 3000 Maler um 1900 hier ansässig), dessen Vermögen auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Gesamtlage Deutschlands dahinschmolz, nach neuen Erwerbsquellen. So entstand die Idee, der riesigen Villa eine neue Zweckbestimmung zu geben und in ihr die Münchner »Edel-Messe« unterzubringen, eine »Ständige Musterschau Deutscher Qualitätswaren mit Großhandelsvertretung im In- und Ausland«. Bei den Waren handelte es sich um Metallwaren sowie Küchen- und Einrichtungsgegenstände. Dieser Messe angegliedert war eine ständige Kunstschau, in der die bedeutenden Namen "aller Kunstrichtungen" vertreten waren. Am 1. Juli 1923 wurde die entsprechende Münchner Edel-Messen AG von Emil Stollberg, Karl Kölsch, Ferdinand Kussius und Friedrich Lauer gegründet.

 

 

 

 

Geschultes, sprach- und warenkundiges Verkaufspersonal bediente die kaufkräftige Kundschaft und was sie dieser anbot war »kein Schund, kein Kitsch, keine Ramschware [...], sondern Gediegenes, Zweckentsprechendes, echtes, mit einem Wort: Edles.« (aus dem Handbuch zur »Edel-Messe«). Die Villa als »Messepalast« bot zahlreiche stilvolle Räume und einen Erfrischungsraum im Kellergeschoss. Im November 1922 beantragte man die notwendige Wirtschaftsgenehmigung mit folgender Begründung:

 

»Die Eigenart der Münchner Edel-Messe, die ihre Ausstellung in dem von ihr gepachteten Anwesen Neuberghauser Straße 11 Anfang Januar 1923 eröffnet, macht es erforderlich, dass in gleicher Weise wie bei ähnlichen Veranstaltungen – deutsches Museum, Nationalmuseum, Kunstausstellung Glaspalast usw. – den Besuchern Gelegenheit geboten wird, innerhalb der Ausstellung selbst Erfrischungen zu sich zu nehmen. Denn die Ausstellung ist weitläufig und beansprucht für eingehende Besichtigung längere Zeit. Da Eintrittsgeld erhoben wird, kann man den Besuchern füglich nicht zumuten, dass sie das Haus zwecks Einnahme einer Mahlzeit vorübergehend verlassen. Dazu kommt, dass die Edel-Messe eine größere Anzahl von Angestellten beschäftigt, denen bei einer durchgehenden Arbeitszeit auch die Möglichkeit gegeben werden muss, einen Imbiss zu sich zu nehmen.

Nach Sachlage handelt es sich nicht um einen öffentlichen Wirtschaftsbetrieb, sondern um einen Betrieb, der mit oder bald nach Schluss der Ausstellungszeit – im Sommer von 10 bis 6, im Winter von 10 bis 4 vorgesehen – ein Ende findet. Der Umfang der Bewirtschaftung soll sich mit Rücksicht auf die Art der Besucher und der Aussteller, die hier beide auch Gelegenheit zum Anschluss von Käufen und Verkäufen haben werden, hinsichtlich der Getränke auf alle Arten erstrecken: Flaschenbier, Wein offen und in Flaschen, Schaumwein, feinere Liköre, Kaffee, Tee, Schokolade, Mineralwasser; für Speisen kommt in der Hauptsache kalte Küche in Frage, aber auch warme Gerichte einfacherer Art.«

 

Die Bewirtungsmöglichkeiten baute man mit den Jahren weiter aus, später gab es sogar eine Kegelbahn. Die Erlaubnis zum Vollbetrieb einer Schankwirtschaft in dem »herrlich illuminierten« und prächtig ausgestalteten Garten sowie dem seitlich angegliederten Park wurde schließlich auch erteilt, Musik- und Tanzveranstaltungen erhielten aber wegen der Nähe zu Kirche und Friedhof nur in Ausnahmefällen eine Genehmigung, ein schon errichtetes Tanzpodium musste letztendlich wieder abgerissen werden und Veranstaltungen dieser Art wurden verboten.

 

 

 

 

Die Edel-Messe war eine Alternative zu den Saisonausstellungen, in der die Aussteller gezwungen waren, in »drangvoller-fürchterlicher Enge, gemeinsam mit seinen Wettbewerbern unter erheblichen Unkosten und Unbequemlichkeiten innerhalb eines ganz bestimmten Zeitraums [...] zu handeln.« Trotzdem ging in den Jahren der Inflation die Münchner Edel-Messe 1925 bankrott und blieb so nur ein kurzes zweijähriges Intermezzo in der Historie der Villa. Nachdem die Firma gelöscht war, verkaufte Lauer den Bogenhauser Villenkomplex notgedrungen 1924/25 an das reiche Studentencorps "Svuebia", das dort ein prunkvolles Verbindungshaus mit eigener Mensa (mit täglichem Mittagstisch) einrichtete.

 

 

 

 

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>> Studentenverbindungshaus (1925 bis 1939)

 

 

 

Abbildungen von oben nach unten: