Schnell wurde die gastfreundliche Künstlervilla zum Treffpunkt von Münchner Persönlichkeiten der Jahrhundertwende: Wilhelm Furtwängler, Cosima Wagner, Prinzregent Luitpold, Kronprinz Rupprecht, Wilhelm Röntgen, Max Reger, Richard Strauss, Ricarda Huch, Hermann Levi, Karl Wolfskehl, Hans Pfitzner, Werner von Siemens, Georg Kerschensteiner gingen hier ein und aus. Am 18. Januar 1921 starb Adolf von Hildebrand in seiner Villa, die sein Sohn, der Religionsphilosoph Dr. Dietrich von Hildebrand und eine seiner Töchter, die Malerin und Bildhauerin Irene Georgii (verheiratet mit dem Bildhauer Theodor Georgii) erbten. Auch danach blieb die Villa ein Zentrum künstlerischer und intellektueller Begegnungen, bis 1933 Dietrich von Hildebrand vor den Nationalsozialisten aus München fliehen musste und die Erben das Haus nicht mehr halten konnten und verkauften.

 

Das Hildebrandhaus beendete mit dem Besitzerwechsel die glanzvollen Epoche einer Künstlervilla während der Prinzregentenzeit und wurde von jetzt an Zeuge eines der düstersten Kapitel deutscher Geschichte, der systematischen Enteignung, Verfolgung, Entrechtung, Deportation und Ermordung Münchner Juden während der nationalsozialistischen Zeit. 

 

Am 25. September 1934 erwarb das Hildebrandhaus laut Kaufvertrag die Schriftstellerin Elisabeth Braun. Theodor Georgii sicherte sich ein lebenslanges Nutzungsrecht für ein Atelier und ein Quartier im Dachgeschoss. Zwischen 1937 und 1941 bewohnten um die 15 Personen das Haus, denn Elisabeth Braun nahm »nicht arisch« Verfolgte, vor allem allein stehende Frauen, im Hildebrandhaus auf, um sie vor dem nationalsozialistischen Regime zu schützen. Am 21. Juni 1940 schrieb Elisabeth Braun unter dem Druck der Repressionen ein Testament, in dem sie die »Evangelische Landeskirche in Bayern rechts des Rheins« als Erbin des Hildebrandhauses einsetzte. Die Kirche sollte das Anwesen zur Mission und vor allem den Verfolgten weiter zur Nutzung zur Verfügung stellen.

 

Im August 1941 wurden Elisabeth Braun und einige ihrer Mitbewohnerinnen in das Internierungslager in der Clemens-August-Straße 9 (Kloster der Barmherzigen Schwestern) in Berg am Laim umgesiedelt und im November 1941 nach Kaunas in Litauen verbracht, wo sie am 25.11.1941 erschossen wurde. Am 11.3.1948 wurde Elisabeth Braun für tot erklärt, die von ihr vorgesehene soziale Nutzung des Hildebrandhauses wurde jedoch nicht realisiert.

 

Eine am 19. November 2004 vor dem Hildebrandhaus errichtete Installation mit 17 weißen Koffern von Wolfram P. Kastner und Peter Weismann erinnerte an die ermordeten Elisabeth und Rosa Braun sowie die 15 Bewohner, denen sie in der Villa Zuflucht gewährt hatte. Parallel dazu setzte die Ausstellung »Auf einmal da waren sie weg ...« ein Zeichen gegen Ausgrenzung und Vergessen der jüdischen Mitmenschen in Bogenhausen während des »Dritten Reichs«. Am 26. November 2009 enthüllte Kulturreferent Dr. Hans-Georg Küppers in Erinnerung an Elisabeth Braun und die 15 jüdischen Bewohner eine Gedenktafel im Eingangsbereich der Villa. 

 

 

 

 

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Fotos:

oben: Hildebrandhaus an der Gartenseite mit Treppenhausturm © dietlind pedarnig (2007)

unten: Eingang Hildebrandhaus Siebertstraße 2  © dietlind pedarnig (2007)