Der Streit um die Drahtseilfähre

von Karin Bernst

 

Die Regulierung der Isar im 19. Jahrhundert brachte es mit sich, dass der Fährbetrieb zwischen Unterföhring und Freimann zum erliegen kam. Im Dezember 1893 stellten die Gemeinden Oberföhring und Unterföhring gemeinsam einen Antrag an das königliche Bezirksamt um die Genehmigung einer Drahtseilfähre über die Isar. Ein früherer Antrag der Unterföhringer aus dem Jahre 1887 war damals abgelehnt worden, unter anderem mit der Begründung des Nichtvorhandenseins von öffentlichen Wegen. Diese Fähre sollte am Ortseingang (Projekt I) von Unterföhring platziert werden. Für den neuen Antrag kam zusätzlich eine neue Stelle (Projekt II) zwischen Oberföhring und Unterföhring in Betracht, etwa dort, wo sich heute die Leinthaler Brücke befindet.

 

Folgende Argumente wurden dargebracht:

" ... Den gehorsamsten Gesuchstellern ist es unbegreiflich, wie die überfahrenden Passagiere viele Jahrhunderte lang an die Fähre gelangen konnten, ohne einen öffentlichen Fußweg. Dieser bestand selbstverständlich, nur konnte er vor der Isarkorrektion nicht immer der gleiche bleiben, da die Fähre wegen beständiger Veränderung des Isarlaufes auch ihren Standplatz ändern mußte. Deshalb geht es aber doch nicht an, ein jahrhundertelanges Recht mit einem Federstrich weg zu dekretieren. ... Täglich werden neue Verkehrsmittel geschaffen. es wäre deshalb an der Zeit, unser jahrhundertelanges Recht des freien Verkehrs mit unseren nächsten Nachbarn jenseits der Isar, mit welch wir so lange in gschäftlichen und verwandtschaftlichen Beziehungen standen, bzw. noch stehen, nach sechsjähriger Pause wieder herzustellen, damit Handel und Wandel wieder Platz greifen und wir uns gegenseitig beistehen können im Augenblick der Gefahr. ... Die Gesuchstellen bitten noch gehorsamst um gütlicher Vorbescheidung ihrer Bitte, nachdem zwei Eingaben der Gemeindeverwaltung Oberföhring gleichen Inhalts ohne Bescheid blieben und wahrscheinlich in einem ärarischen Papierkorb ihr trauriges Ende gefunden haben."

 

Im Jahre 1894 stellten die Gemeinden Oberföhring, Unterföhring und Freimann einen erneuten Antrag an die königliche Kreis-Regierung von Oberbayern. Außerdem wurden Pläne erstellt und das königliche Straßen- und Flussbauamt München führte eine technische Prüfung des Projektes durch. Im April 1895 bewilligte die Regierung die Drahtseilfähre bei der Badergrube (Projekt II). Doch die Unterföhringer bevorzugten die Stelle beim Ortseingang (Projekt I) und stellten ein neues Bitgesuch. Nun entbrannte ein "Streit" zwischen Oberföhring und Unterföhring über die "allein richtige Lage" für die Fähre. Im gleichen Jahr, am 28. November 1895, stellte die Gemeinde Unterföhring einen Antrag an das königliche bayerische Ministerium des Innern zum Bau einer Brücke über die Isar zwischen Oberföhring und Unterföhring. Im Protokoll vom Februar 1896 verzichtet der Unterföhringer Gemeindeausschuss auf eine Fähre, wenn auf Staatskosten eine Brücke in Oberföhring oder bei der Badergrube errichtet wird. Nachdem das Projekt I im April 1896 endgültig abgewiesen wurde, gab Unterföhring Folgendes zu Protokoll: " ... Die Drahtseilfähre ist nicht gebaut worden und wird auch nicht gebaut."

 

Im Oktober 1896 gründeten Oberföhringer Bürger ein Consortium, um eine Fähre auf eigene Kosten zu bauen. eröffnet wurde diese am 27. April 1897 (bei der Leinthaler Brücke, Projekt II). Durch den Brückenbau im Jahre 1903 nutzlos geworden, verlegte man die Fähre (fertig gestellt am 14. Juni 1904) weiter nach Süden, dort wo sich heute das Oberföhringer Stauwehr befindet. In Ihrem Antrag vom Juni 1903 auf "Transferierung" der Fähre meinten die Oberföhringer: "Oberföhring wird also der einzige bedeutende Ort in nächster Nähe der Haupt- und Residenzstadt bleiben, der nie eine Bahn und auch in absehbarer Zeit keine Tram erhalten wird und ist somit zu einem bedeutungslosen abseits liegenden Orte degradiert."

 

 

 

 

 

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Literatur:

"Oberföhringer Drahtseilfähre" aus: Karin Bernst, "Ein Spaziergang durch den Münchner Nordosten", Kalender 2006.

 

Abbildungen von oben nach unten: