Nach der Eingemeindung Bogenhausens (1892) ziehen immer mehr »Betuchte« in das Viertel und es wird, diesem Umstand Rechnung tragend, 1898 bis 1900 vom Gastwirtsehepaar Anna und Lorenz Betz die alte Biedermeier-Gastwirtschaft abgerissen und an ihrer Stelle ein neuer, weitaus repräsentativerer Bau errichtet. Architekt war Paul Pfann, ein Schüler von Friedrich von Thiersch, unter Mitarbeit von Paul Wallot und Günther Blumentritt. Auch die Innenausgestaltung sowie Mobiliar wurden von den Architekten entworfen. Das Hauptgebäude mit seinem Halbwalmdach ist denkmalgeschützt und hat nach einer umfassenden Sanierung, in der der Originalzustand wieder hergestellt wurde, 2017 den Fassadenpreis der Landeshauptstadt München verliehen bekommen. Stand 2020 ist hier das Königlich Thailändische Generalkonsulat untergebracht.

 

Der Neubau von Pfann sah im Kellergeschoss die verschiedenen Vorratsräume, Eis- und  Bierkeller, Heizraum, Waschküche, Schlachtraum und Wursterei vor. Im Erdgeschoss befand sich das Gastlokal mit Nebenzimmern, daran westlich anschließend eine kleinere Schwemme (Kneipe für Fuhrleute, Arbeiter und andere Niedrigverdiener). Von dieser aus konnte ein großzügiges sogenanntes Vereinszimmer betreten werden. Östlich des Gastlokals waren eine geräumige Küche mit einem Zimmer für den Wirt sowie die Gartenschenke untergebracht. Im Obergeschoss befanden sich ein Saal, dem fünf große Fenster an der Seite zur Törringstraße helles Tageslicht spendeten sowie zwei Gesellschaftszimmer. Eine stattliche Terrasse bot weitere Sitzplätze. Den Gartenbereich konnten die Gäste hier durch einen Treppenaufgang erreichen.

 

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Vom Wohlstand der beiden Wirtsleute Betz Ende im ausgehenden 19. Jahrhundert und vom Bauboom in Bogenhausen zeugt auch deren Immobilienbesitz in der vornehmen Möhlstraße. Gleichzeitig mit dem Neubau der Gastwirtschaft lassen sie sich von Architekt Hans Seidl hier gleich drei Villen errichten, auf Haus Nr. 12a, Haus Nr. 14 und Haus Nr. 16, die sie sofort nach deren Fertigstellung wieder verkaufen. Zwei Jahre vor dem Neubau der Gastwirtschaft 1896 lässt sich Lorenz Betz außerdem sein privates Wohnhaus in der Händelstraße 1 von Baumeister Hans Hartl errichten.

 

 

 

 

Rückwärtiger Eingang in der Händelstraße, ganz links der Tanzpavillon, daneben das Karussell

 

 

Der große Wirtsgarten mit Pavillon (links), Innenräume und Hühnerbraterei um 1900

 

 

Tanzpavillon (links oben) und Karussell (rechts außen) und »Hühnebratereistation«, 1897

 

 

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Eingangsportal zur »Betz'schen Gastwirtschaft« mit der Metzgerei L. Betz im niedrigen Anbau (dahinter das höhere Wirtshausgebäude) an der Ismaninger Straße 105.

Rechts: die »Ruine« der unfertigen Fleischer-Villa, 1907. Quelle: Stadtarchiv München, Sammlung Valentin, Sign. DE-1992-FS-NL-KV-0748

// Eingangsbereich des ehemaligen Togal-Werks an der Ismaninger Straße 105 im Jahr 2007.

 

 

 

Gasthaus und Restaurant von Lorenz Betz  um 1900 / das ehemalige Togal-Werk 2010

aus der gleichen Sicht, von der Törringstraße aus gesehen

(Mouseover-Effekt: bitte über das Bild fahren)

 

 

1912 mit dem St.-Georgi-Brunnen 

 

 

1914 mit dem großen Tanzpavillon rechts

 

 

1919

 

 

Ein St.-Georgi-Brunnen, 1901 von Heinrich Düll und Georg Pezold, den Erbauern des Friedensengels, wohl im Zusammenhang mit dem Umbau der Wirtschaft geschaffen, steht noch heute im Hof des Eingangsbereichs der Togalwerke. Im Wirtshaus selbst gab es auch eine eigene sogenannte Millionärs-Trinkstube, wo sich die »heiligen drei Könige von Bogenhausen«, Bürgermeister Josef Selmayr, Ziegeleibesitzer und Gemeindeausschussmitglied Franz Kaffl und der Wirt Lorenz Betz, mit der übrigen Bogenhauser Prominenz zu treffen pflegte. Von der prunkvollen Ausstattung dieser Stube sind unter anderem sieben große Bildtafeln des Münchner Genremalers Franz Ringer erhalten, deren Motive Ausschnitte aus dem Alltagsleben von Bogenhausen und München wiedergeben können.

 

 

 

 

Die restaurierten Gemälde befanden sich bis März 2011 im Besitz der Firma Togal, an die im Jahr 1921 das gesamte Anwesen der »Betz'schen Gastwirtschaft« in einer Art Notverkauf der Familie Betz abgegeben wurde. Dann wechselten die 5100 Quadratmeter Togalwerk den Besitzer. Die Bayerische Hausbau – ein Unternehmen der Schörghuber-Gruppe – hat dort seit 2011  60 exklusive Wohnungen sowie auf 1500 Quadratmetern Büros errichtet. Den ausgeschriebenen Einladungswettbewerb für das Projekt »Wohnen und Arbeiten auf dem ehemaligen Togal-Gelände« hatte die LAUX Architekten GmbH München gewonnen. Baubeginn war Ende 2012, die Bezugnahme war 2017. Die Bayerische Hausbau warb unter dem Motto: Das Denkmal bleibt, das Togal-Werk weicht, »Lagot« kommt. Damit ist ein weiteres Stammgelände einer Münchner Traditionsfirma von der Bildfläche verschwunden. Teilweise wurden die alten Produktions- und Verwaltungsstätten zwischen der Ismaninger-, Törring- und Händelstraße abgerissen. Dazu gehören ein dreigeschossiges Fabrikationsgebäude, zwei Erweiterungsbauten und eine Garage.

 

Der neubarocke, unter Denkmalschutz stehende Hauptbau des ehemaligen Gasthauses blieb erhalten und wurde von Eigentümer Hans Belling vertreten durch Braun und Partner Architekten komplett saniert. Auch der denkmalgeschützte St.-Georgi-Brunnen blieb erhalten, ebenso wie die historischen Mauerpfeiler an der Händel- und Ismaninger Straße. Die Landeshauptstadt München schreibt zur Verleihung des Fassadenpreises 2017:

 

»Neben umfangreichen Putz- und Stuckergänzungen wurde auch die einst vorhandene Terrasse mit dem eckbetonenden Salettl‹ nach historischen Plänen und Fotos rekonstruiert. Die falsch geteilten Fenster sind vorbildlich und detailgetreu durch neue Kastenfenster ersetzt worden. Sowohl die Farbigkeit der Fenster, als auch die der Fassade beruhen auf einer Befunduntersuchung. Die Erneuerung der Dacheindeckung erfolgte stilgerecht mit naturroten Biberschwanzziegeln.«

 

 

Ecke Ismaninger/Törringstraße (Architekturskizze).

links befand sich die ehemalige Metzgerei der Wirtschaft sowie der Eingang zum ehemaligen Togalwerk

 

 

Blick von der Törringstraße auf das ehemalige Gastwirtschaftsgebäude

 

 

Innenhof mit Skulptur auf der Ballustrade des »Salettls«

 

 

 

 

>> Mehr zum Neubauprojekt »Lagot«

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Quellen:

 

Abbildungen: