ehemaliges Kino »Kamera«

Geibelstraße 6, Bogenhausen

 

Eine der legendären Persönlichkeiten der Münchner Kinogeschichte war der Schausteller Carl Gabriel (18571931), der »Vorkämpfer der Kinematographeninteressenten«. Mit ihrer Schau, dem »anatomisch-ethnologisch naturhistorischen Museum und Panoptikum« kamen die Gabriels 1892 nach München. Das Oktoberfest wurde für Carl Gabriel der Schauplatz seiner größten Erfolge. Stets bestrebt, das Beste zu bieten, erfuhr er im Dezember 1895 von der neuesten Sensation im Schauwesen, der Vorführung lebender Bilder durch die Franzosen Louis und Auguste Lumière in Paris. Die erste »kinematographische Vorführung« in München fand dann am 11. Juli 1896 in Gabriels und Hammers Panoptikum an der Neuhauser Straße statt.

 

 

Bildergebnis für Carl Gabriel  

Carl Gabriel

 

 

Ein weiterer Pionier der jungen Münchner Kinogeschichte war Johann Dienstknecht. Er gründete 1907 den ersten Filmverleih. Der mobile Kinematograph - das Wanderkino - blieb zu beginn des 20. Jahrhunderts zunächst die Regel. Gespielt wurde auf dem Oktoberfest, im »Volksgarten« in Nymphenburg, in Varité-Theatern, Konzertsälen und und Gaststätten und Bierkellern. So wurden zum Beispiel im Gasthaus Herzogpark an der Mauerkircherstraße ab 1909 Filme gezeigt. Als das erste Münchner »Kinematographentheater«, ein nur zum Zweck der Filmvorführung eingerichteter Raum, gilt das am 15. April 1906 eröffnete »Welt-Kinematograph« an der Kaufingerstraße.

 

Zur Führung eines Filmtheaters bedurfte es lediglich der Ausstellung eines Berechtigtenscheines, der alljährlich erneuert werden musste. Nac dem Wegfall des Gewerbebeschränkung im Jahre 1912 setzte ein Kinoeröffnungsboom ein. 1913 gab es in München 45 Lichtspielhäuser. 1925 waren es 46 Kinos und 1930 schon 72 Kinos mit insgesamt 27.760 Sitzplätzen. In den 1930er-Jahren gab es Diskussionen über die Konzessionierung von Lichtspieltheatern, das heißt die Prüfung des Bedürfnisses neuer Kinos zum Schutz der bestehenden. Mit der Eröffnung weiterer Kinos wurde die Konkurrenz immer »größer und rücksichtsloser«, wie die Münchner Presse im Februar 1932 berichtete. Man forderte die Einführung einer Konzessionspflicht, statt der für den Inhaber zu erwerbenden polizeilichen Spielerlaubnis.

 

»Wirtschaftlich gerechtfertigt wird der Neubau eines repräsentativen, 480 Sitzplätze fassenden Theaters unmittelbar vor Münchens vornehmsten Villenquartier; durch die Errichtung einiger großer Baublocks nördlich vom Prinzregenten-Theater: Programm des neuen Hauses werden Zweitaufführungen und Reprisen sein, also kein reines »Kamera-Programm«, die Geibel-Lichtspiele.«

 

Über die Ausstattung erwähnte die "Bayerische Staatszeitung" 1929  nur die helle Farbgebung und ein vornehmes, freundliches Raumgebilde. Das Äußere wie das Innere der Bogenhausener »Kamera«, seit 1930 so umbenannt, galt für die damalige Zeit als Ausdruck moderner künstlerischer Zweckschönheit. das kino besaß zudem eine Bühne mit Orchestergraben.

 

Nach dem Zweiten Weltkrieg, im November 1945,  eröffnete man die Kamera-Lichtspiele, neben drei weiteren Münchner Kinos, als Militärkino für US-Soldaten. Von den ca. 80 Kinos (mit 32.200 Sitzplätzen) über die München vor dem Krieg verfügte, überstanden nur 14 mit rund 5.000 Sitzplätzen die Zerstörungen durch die Luftangriffe. Für den Monat Juni 1948 verzeichneten die Münchner Kinos schon wieder 1.025.000 Besucher. 57 Lichtspieltheater mit insgesamt 21.381 Sitzplätzen waren 1949 in Betrieb und bis 1954 stieg die Zahl auf rund 107 mit rund 48.000 Sitzplätzen.

 

Nach einer Renovierung 1956 stand das Bogenhausener Kino »Camera-Lichtspiele« bis zu seiner endgültigen SChließung im Jahre 1969 der Zivilbevölkerung offen. Die Räumlichkeiten werden heute als Lagerhalle genutzt.

 

Karin Bernst,

Ein Spaziergang durch den Münchner Nordosten. Quer durch den Stadtbezirk 13, Münchner Nordostkalender 2017, München 2017

 

 

 

 

Die »Camera-Lichtspiele« 1956

 

 

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Abbildungen:

oben: »Kamera"-Lichtspiele« 1939 © stadtarchiv münchen

unten: »Camera-Lichtspiele« 1956 © privat