Holbeinstraße 3/5

 

»Im September ist alles aus Gold: / Die Sonne, die durch das Blau hinrollt, / Das Stoppelfeld, / Die Sonnenblume, schläfrig am Zaun, / Das Kreuz auf der Kirche, / Der Apfel am Baum.« Georg Brittings Gedicht »Goldene Welt« ist heute noch Schullektüre. Ebenso seine Kurzgeschichte »Brudermord im Altwasser«. Den einzigen Roman des in Regensburg geborenen Autors, »Lebenslauf eines dicken Mannes, der Hamlet hieß«, nannte der Lyriker und Literaturkritiker der Süddeutschen Zeitung Albert von Schirnding »Weltliteratur, da lasse ich nicht mit mir handeln«.

 

 

Georg Britting in den 1930er-Jahren

 

 

Georg Britting (1891–1964) lebte rund 16 Jahre in der Bogenhausener Holbeinstraße 5. Als bescheidener Untermieter oder Zimmerherr, wie man damals sagte. Seine Kammer hatte keine Küchenzeile, nicht einmal einen Wasseranschluss, geschweige denn ein eigenes Bad, aber immerhin einen separaten Eingang. So erinnert sich seine 2011 verstorbene Witwe, die Schauspielerin Ingeborg Schuldt-Britting in einem kleinen Privatdruck. Sie war fast 30 Jahre jünger als ihr Mann, den sie bald nach Kriegsende geheiratet hatte. In den ersten fünf Ehejahren lebte sie in einem Zimmer in der Possartstraße 12. Einen gemeinsamen Hausstand konnten sie und ihr Mann erst 1951 gründen, als Britting mit Hilfe des städtischen Kulturreferenten Hans-Ludwig Held eine Wohnung im Lehel am St.-Anna-Platz 10 zugewiesen erhielt. Es war die erste eigene Wohnung, die der damals bereits 60-jährige Georg Britting bezog. Trotzdem verließ er Bogenhausen und die Holbeinstraße nur schweren Herzens, wo ein erheblicher Teil seines Werks entstanden ist. Es wird heute von einer Stiftung bewahrt und gepflegt.

 

Georg Britting gehörte nicht zu den Autoren, die während der NS-Diktatur ins Exil gingen, hielt aber weitgehend Abstand zu den Machthabern und ihrer Ideologie. In jüngster Zeit ist ein Gelöbnis-Telegramm deutscher Dichter von 1936 an den Führer Adolf Hitler bekannt geworden, in dem sein Name als Unterzeichnender genannt ist. Allerdings ist nicht klar, ob Britting überhaupt wusste, dass er in diesem Grußtelegramm erwähnt wird. Als Schriftsteller war er auch Angriffen der nationalsozialistischen Kulturpolitik ausgesetzt, unter anderem von der SS-Zeitschrift Das Schwarze Korps. Eine lebenslange enge Freundschaft pflegte Britting mit Alexander Wetzlar, dessen jüdische Familie ein alteingesessenes Silbergeschäft in der Maximiliansstraße besaß. Alexander Wetzlar konnte 1939 vor der nationalsozialistischen Verfolgung von München nach London fliehen. 1945 nahm er den durch den Krieg unterbrochenen Briefwechsel mit Georg Britting sofort wieder auf und schickte dem Dichter sogar ein Paar Hosen. Diese Post war an die Holbeinstraße 5 in München-Bogenhausen adressiert.

 

 

 

 

Das 1909/10 von Architekt Max Kirschner errichtete dreigeschossige Doppelmietshaus mit seiner prägnanten Loggien-Balkon-Gruppe und dem in die Wand eingelassenen Mosaikdekor zählt zu den bemerkenswertesten Ensembles des Jugendstils in München.

 

 

 

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Rechteinhaber für Text und Porträt Britting: Georg-Britting-Stiftung, Regenstauf

 

Abbildung oben: Doppelmietshaus Holbeinstraße 3/5, 1910. Dreigeschossiger, putzgegliederter Jugendstilbau mit Loggien-Balkon-Gruppe am flachen Mittelrisalit und Mosaiken, Architekt Max Kirschner, 1909/10.  © Stadtarchiv München Sign. DE-1992-FS-PK-STR-00599

Abbildung unten: Mosaik am Mietshaus Holbeinstraße 5 hpt©Verein für Stadtteilkultur im Münchner Nordosten