In München wurden unter nationalsozialistischer Herrschaft mehr als 20 neue Kirchen und Gemeindehäuser beider Konfessionen errichtet. Diese erstaunlich hohe Anzahl ist damit zu erklären, dass in den äußeren Stadtvierteln in den 1920er- und 1930er-Jahren ausgedehnte Wohnsiedlungen entstanden und somit auch der Bedarf nach neuen Gemeindekirchen. In Bogenhausen, einem typischen Villen- und Einfamilienhäuserviertel, errichtete man in dieser Zeit gleich zwei neue Kirchen: die katholische Pfarrkirche Heilig Blut und die evangelische Dreieinigkeitskirche (1937 fertig gestellt).

 

Vom ersten Spatenstich (18. März 1934) über die Grundsteinlegung (25. Mai 1934) bis zur feierlichen Einweihung (1. November 1934) der Kirche Heilig Blut durch Erzbischof Kardinal Michael von Faulhaber vergingen nicht einmal acht Monate. Erster Pfarrer der neuen Kirchengemeinde war Max Blumschein, der bereits seit 1916 in St. Georg seelsorgerisch tätig war. Mit der Einweihung der neuen Kirche ging die alte Pfarrei in den neuen Seelsorgebezirk Heilig Blut mit ein. Architekt Hans Döllgast entwarf das Gotteshaus in einer Mischung aus traditionellen Architekturformen und modernen Elementen. Mit dem seitlich gestellten Turm, dem Satteldach und den Rundbogenfenstern erinnert es an ländliche Kirchenbauten, während die  weißen, schmucklosen Wandflächen in ihrer Schlichtheit und Geradlinigkeit von einer moderneren Architekturauffassung verkünden. Die fensterlose Giebelfront mit dem Haupteingang ist mit einem Mosaik von Günther Grassmann geschmückt. Es besteht aus geschliffenen Natursteinen und zeigt zwei Engel, die das Schweißtuch Christi mit einem Bildnis des Heilands halten. In der Ecke ist das  Wappen des Münchner Erzbischofs und Kardinals Michael von Faulhaber dargestellt. 

 

 

 

 

Heilig Blut ist als dreischiffige Hallenkirche gestaltet, die durch 14 schlanken Rundsäulen aus schalungsrauem Beton gegliedert wird. Sie trugen eine flache Stuckdecke. Den Glockenturm hatte Döllgast ursprünglich als Spitzturm gestaltet (siehe Abbildung S. 1).

 

 

 

 

 

Hochaltarbild im Stil des expressiven Realismus von Prof. Albert Burkart (1898–1982)

 

 

Turm und Stuckdecke sind heute nicht mehr erhalten. In der verheerenden Bombennacht vom 2. auf  3. Oktober 1943 wurde die Kirche bis auf ihre Mauern zerstört. Auch der Wiederaufbau, bereits zwei Jahre nach der Währungsreform, 1950, erfolgte unter der architektonischen Leitung von Hans Döllgast. Eine größere bauliche Veränderung ergab sich bei der Neuerrichtung des Turms. Der Glockenstuhl, der beim früheren Spitzturm tiefer als die Giebellinie der Kirche gelegen war, wurde 10 Meter höher gesetzt und der Turm mit einem Satteldach abgeschlossen. Statt der Stuckdecke wurde jetzt eine glatte Holzdecke  eingezogen. Diese ist mit Kreuzen und lateinischen Inschriften bemalt, was wiederum an die 1935 in München-Sendling eingeweihte und ebenfalls von Hans Döllgast entworfene katholische Kirche St. Heinrich erinnert.

 

 

Maria mit Kind, Prof. Theodor Georgii zugeschrieben

 

 

Der Heilige Franziskus von Klaus Backmund

 

 

Das Gemälde in der Altarnische (1934 von Kunstmaler Prof. Albert Burkart entworfen) erinnert an Renaissancebilder des 16. Jahrhunderts. Dargestellt ist Christus mit zwei Engeln, die das aus seiner Seitenwunde fließende Blut auffangen. Künstlerisch besonders bemerkenswert sind in der Kirche Heilig Blut:

 

 

Ölberggruppe von Oswald Hofmann, nördliche Außenwand

 

 

 

An der Kirche Heilig Blut war der Widerstandskämpfer Hermann Wehrle 1942 bis 1944 Stadtkaplan. Josef Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., war in den Jahren 1951 und 1952 Kaplan in der Pfarrei Heilig Blut und hat an der Gebeleschule als Lehrer unterrichtet.

 

In den Jahren 2009 bis 2010 wurde aus Anlass des 75-jährigen Bestehens von Heilig Blut die denkmalgeschützte Kirche renoviert (Architekturbüro Peter Pongratz) und unter anderem ein neues gläsernes Eingangsportal an der Westseite - hergestellt in der Mayer'schen Hofkunstanstalt - angeschafft. Prof. Josef Alexander Henselmann, schuf diese markante, in flammenden Rot leuchtende Tür sowie eine Erinnerungsbüste an Pater Alfred Delp, das Engelgitter und einen neuen Taufstein. Zum Portalkunstwerk gehört auch die Widmung: »Joseph Ratzinger, Kaplan in Hl. Blut, 1951-52« ist oben in den linken Türflügel geätzt. »Deus Caritas Est, Benedikt XVI.« steht im rechten. Der spätere Papst, dessen erste Enzyklika den Namen »Gott ist die Liebe« trug, hatte als junger Mann in Heilig Blut gearbeitet. Es war seine allererste Kaplanstelle nach der Priesterweihe.

 

 

2018, Westseite

 

 

2010

 

2010

 

 

Alexander Henselmann, Glasportal an der Westseite, 2021

 

 

 

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Textquellen:

 

Abbildungen  S. 1:

Abbildungen S. 2: