Eine Lehrzeit in Denning: die Firma Grichtmaier

Werner Kitschke, geboren am 2. September 1931 in Hohenlinde/Schlesien, erzählte dem NordOstMagazin

 

 

Nach seiner Entlassung aus der amerikanischen Kriegsgefangenschaft bekam sein Vater, Wagner und Karosseriebauer von Beruf, Arbeit bei der Karosseriebaufirma Grichtmaier in Denning. So begann Werner bei Grichtmaier die Ausbildung zum Wagner und Karosseriebauer. Die Erziehungsbeihilfe betrug 7,50 RM in der Woche. Herr Grichtmaier überließ der Familie Kitschke das alte Büro über der Werkstatt als Wohnung, ca. 20–25 m² für vier Personen, Vater und Mutter, Sohn Werner und die Oma war auch noch dabei! Grichtmaier organisierte 1947 auch den Zuzug der Restfamilie, die in Heimatvertriebenenlagern lebte. Herr Grichtmaier stiftete auch das Material für die Möbel und die Inneneinrichtung. Sein großer Holzbestand war nach dem Krieg das größte Kapital der Firma. Während des Krieges, die Firma war ein kriegswichtiger Betrieb, fertigte sie Kufen für die Ju 52, damit diese auf den Feldflughäfen im Winter starten und landen konnten. Die Kufen wurden damals mit einem Art Vorläufer des Resopal beschichtet. Unmittelbar nach dem Krieg kamen die Aufträge von den Amerikanern.

 

In der langgezogenen Werkstatt von fast 30 Metern, standen sechs Hobelbänke. Auf der Südseite war der Maschinenraum, bereits mit einer Absauganlage ausgestattet. Nördlich der Werkstatt gab es den Waschraum und das WC und im Anschluss daran den Raum mit den Kleinmaschinen. Die Hobelspäne holte die Schweinemästerei Theen in Englschalking ab. Bauwagen, Leiterwagen, Handwagen (die Eisenreifen wurden beim Schmied Mayer in Englschalking aufgezogen), Sulkys, Schalensitze, Axtstiele auf Maß. Grichtmaier produzierte sogar Sportartikel wie Ski, Schlitten und Feldhockeyschläger. Die Ski firmierten allerdings nicht unter Grichtmaier, sondern unter Ebert, dem Mädchennamen seiner ersten Frau. Die Sportartikel wurden im Ladengeschäft Grichtmaier in der Paradiesstraße 5 im Lehel verkauft. Auch hier durfte Werner mitarbeiten und kaufmännisches Geschick erlernen.

 

Grichtmaier, ein Hüne von Mann, unternahm seine Geschäftsfahrten in einer offenen Kutsche, einem Jagdwagen. Sein Auto war kurz vor Kriegsende eingezogen worden. Allerdings vergaß er bei seinen Kutschfahrten oft, dass ein Pferd wirklich nicht mehr als ein PS besaß. Also baute man für das Pferd einen Stall neben dem Holzlager und Werners Vater versorgte den Gaul. Eine Spezialität Grichtmaiers waren Sonderanfertigungen landwirtschaftlicher Fahrzeuge. Er hat gern Geschäfte mit den Bauern gemacht. Dabei ging so mancher Schweinebraten als Bezahlung über den Tisch. Eine Sonderanfertigung war auch der Festwagen der Brauerei Vaihinger für den Cannstatter Wasen, den der Vater von Werner baute. Die Ausbildung war vielseitig. Am Ende seiner Lehrzeit durfte Werner einen alten Pkw, Marke BMW, in einen Kombi umbauen - natürlich unter Anleitung des erfahrenen Altgesellen Hannes Sturm. Den hinteren Teil hat er sogar ganz alleine gefertigt: eine echte Herausforderung, die er aber bravourös meisterte! Werner Kitschke betrieb später einen eigenen Sportartikelladen.

 

Josef Krause, NordOstMagazin 2014

 

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